Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
in die Arena schwingen würden.
Nicht, dass Seelenwächter Schlaf brauchten. Das war nicht der Fall. Aber Frischlinge neigten dazu, dieselben Regeln beizubehalten, die sie befolgt hatten, als sie noch am Leben waren. Das bedeutete, dass sie oft bis mittags schliefen, besonders wenn sie nachts eine Seele geholt hatten.
Er öffnete seine Stiefel.
Morgen würde es lustig werden.
Eine Faust hämmerte an seine Tür. »Mr Murdoch! Verdammt! Mr Murdoch, Sie müssen kommen. Wir brauchen Sie.«
Er riss die Tür auf.
Draußen stand einer der Schüler. Ein großer blonder Bursche, totenbleich und zitternd. In seinen Mundwinkeln hing etwas, das verdächtig nach Erbrochenem aussah.
»Was ist los?«
»Es ist etwas mit Derek. Derek Kowalski.« Die Worte sprudelten förmlich aus ihm heraus. Dann schluckte er hart. »Wenigstens glaube ich, dass es Derek Kowalski ist. O Gott, er muss es sein. Ich bin mir nur nicht sicher.«
Murdochs rechte Hand tastete nach dem Knauf seines Schwertes und fand es. »Langsam. Wie heißt du?«
»Johann Werner.«
»In Ordnung, Werner. Du holst jetzt tief Luft, und dann bringst du mich zu Derek. Unterwegs kannst du mir genau erzählen, was passiert ist.«
Murdoch folgte dem Mann zum Nebeneingang und hinaus auf den Hof. Eine einzelne Laterne, die an der Mauer des Gebäudes angebracht war, hielt die dunkle Nacht fern.
»Wir sind zum Rauchen nach draußen gegangen«, sagte Werner im Gehen. »Derek musste mal pinkeln, deshalb ist er in den Wald ausgetreten. Nicht weit, nur hinter diesen Baum da.« Der junge Mann blieb abrupt stehen. »In der einen Sekunde pinkelt und lacht er noch, und in der nächsten – nichts mehr. Nur noch Stille. Ich bin fast ausgeflippt und wollte nach ihm sehen. Und das habe ich dann gefunden.«
Er deutete hinter den Baum.
Auf der Suche nach etwas Ungewöhnlichem ließ Murdoch den Blick über die Bäume schweifen. Doch alles, was er entdecken konnte, waren Baumstämme und Äste und Schatten. Keine Dämonen. Er zog sein Schwert, nur zur Sicherheit. Dann ging er um Werner herum.
»Großer Gott!«, keuchte er.
»Genau.«
Wenn das einmal ein Mann gewesen war, dann sah er nun ganz und gar nicht mehr danach aus. Nur noch ein klumpiges Bündel aus Haut, Haaren und Kleidung war geblieben. Kein Blut, keine abgetrennten Gliedmaßen waren zu sehen, aber es gab keinen Zweifel daran, dass der arme Kerl mausetot war.
»Es ging ganz schnell. Ich hatte keine Chance, irgendetwas zu unternehmen. Was für ein Ding kann so etwas tun?« Werners Stimme bettelte regelrecht um Beruhigung.
Die konnte Murdoch ihm jedoch nicht bieten.
»Ich weiß es nicht.« Er sah zum Ranchhaus hinauf. Alle Fenster waren dunkel bis auf ein einsames Licht in der Schwärze. Der Berserker ließ unter seiner Haut die Muskeln spielen und schickte einen Schwall heißen Bluts durch seine Adern. Kiyoko. »Geh zurück zu den Unterkünften, weck alle auf und versammle sie im Aufenthaltsraum. Hill und Lafleur wissen, was zu tun ist. Niemand geht nach draußen, bis ich zurück bin.«
Werner nickte und ließ ihn stehen.
Murdoch rannte durch den Garten zum Haupthaus in weniger als zehn Sekunden. Er betrat die Küche durch die Hintertür. Das Haus war ruhig und still.
Anders als Murdochs Herz.
Zuerst Emily, dann Kiyoko, Webster und Lena.
Er lief in den Flur und rutschte prompt auf etwas aus, das klebrig und weich war. Beinahe wäre er gestürzt. Ein Blick nach unten bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Ein zweiter Körper. Genauso knochenlos. Genauso tot. Rothaarig.
Er würgte eine Welle der Übelkeit hinunter.
Gütiger Gott! Es war Carter.
Mit so viel Respekt, wie er in dieser Situation aufbringen konnte, stieg er aus dem Fleischbrei. Dann schoss er zur Treppe. Wenn Kiyoko etwas zugestoßen war …
Er konnte den Gedanken nicht zu Ende denken.
Oben auf der Treppe angekommen, stieß er die erste Tür auf und sah sofort, dass Emily im Bett lag, anscheinend unversehrt. Mit verschlafenen Augen fuhr sie auf und stammelte: »Was? Was ist los?«
Murdoch nahm sich nicht die Zeit zu antworten. Er raste den Flur entlang zu Kiyokos – seinem – Zimmer und trat die Tür auf. Das Bett war leer.
O Gott!
Sein Blick schweifte über den Dielenboden. Die Angst saß wie eine Kralle in seiner Brust.
Da ging die Toilettenspülung, und Kiyoko trat aus dem Badezimmer. Sie rieb sich die Augen. »Was ist denn?«
Ihr Gesicht war aufgedunsen vom Schlaf und ihr Haar auf einer Seite wirr und zerzaust. Sie hatte noch nie
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