Zärtliche Wildnis
ein guter Mechaniker war, bediente die Zapfsäulen und sorgte dafür, daß die Fahrzeuge im ganzen Bezirk verkehrstüchtig waren. Das Ehepaar wohnte in einem kleinen Haus neben dem Laden. Sie hatten zwei Söhne von neunzehn und einundzwanzig Jahren. Clive, der neunzehnjährige, besuchte in Auckland die Universität und ließ sich nur hin und wieder an Wochenenden zu Hause sehen und natürlich in den Semesterferien. Er reiste stets per Anhalter. Ernest, der ältere Bruder, war wie sein Vater vernarrt in Maschinen und war als Fahrer von Planierraupen und ähnlich schweren Fahrzeugen bei einer Straßenbaugesellschaft beschäftigt. Wenn er im näheren Umkreis von Windythorpe arbeitete, pflegte Ernest am Wochenende nach Hause zu kommen, denn er war der stolze Eigentümer eines uralten Autos, das er selbst mit viel Sorgfalt und Mühe wieder flottgemacht hatte und das ihm seine liebevolle Pflege damit lohnte, daß es regelmäßig an den unmöglichsten Orten den Dienst versagte.
Es dauerte nicht lange, bis Liz auch schon die Bekanntschaft dieser beiden hoffnungsvollen Sprößlinge machte, die dem Neuzugang augenblicklich überschwengliche Bewunderung zollten. Ohne einen Moment Zeit zu verlieren, >verknallten< sich die beiden, wie sie es formulierten, in dieses attraktive Mädchen, dessen Lebensstil, dessen Augen und dessen erstklassiges Auto im besonderen den Jungen außerordentlich gefielen. Janet nahm das mit Gelassenheit auf.
»Lassen Sie sich von den beiden nicht aus der Ruhe bringen, Liz«, sagte sie noch ziemlich zu Anfang ihrer Bekanntschaft zu dem Mädchen. »Sie sind ein bißchen verrückt wie alle jungen Leute heutzutage, aber sie sind harmlos.«
Das war nicht gerade ein enthusiastisches Lob von seiten einer Mutter, und Liz machte eine entsprechende Bemerkung, doch Janet Axel lachte nur.
»Ach, über meine Söhne mache ich mir keine Illusionen. Im großen und ganzen sind sie nette Kerle, wenn auch Ted über ihre Marotten manchmal entsetzt ist — Ernest mit den halsbrecherischen Fahrten, die er mit diesen Ungeheuern von Maschinen wagt, und Clive mit seinen Studentendemonstrationen und Protestmärschen. Aber das wird sich eines Tages schon geben. Sie werden erwachsen werden, und dann werden sie einsehen, daß es Vernünftigeres zu tun gibt, als ein Mädchen anzuschmachten, das nichts von ihnen wissen will, oder einem Polizisten nur zum >Spaß< den Helm vom Kopf zu ziehen. Es gibt kein Wort, das mir so auf die Nerven geht wie das Wort >Spaß<. Wenn Sie es also ertragen können, mein Kind, wird es mir eine Erleichterung sein zu wissen, daß die beiden endlich an ein nettes, vernünftiges Mädchen geraten sind, das sie nicht ernst nimmt. Lieber Himmel. Sie hätten die Mädchen sehen sollen, die sie uns schon nach Hause gebracht haben! Ein oder zwei waren so aufgedonnert und dabei nicht einmal sauber, daß ich am liebsten ein heißes Bad vorgeschlagen hätte, aber ich wagte es nicht. Ich sage Ihnen, heutzutage muß eine Mutter schon lernen, den Mund zu halten. Aber ich kann mir vorstellen, daß unsere Eltern da auch einiges mitgemacht haben.«
»Nun«, meinte Ted, der während dieses vertraulichen Gesprächs hereingekommen war, »es ist nicht zu leugnen, daß die meisten jungen Leute gern einmal über die Stränge schlagen, und ich weiß, daß meine Mutter mir öfter als einmal ins Bett helfen und meinen Vater beschwindeln mußte, weil ich zu tief ins Glas geguckt hatte. Aber ich habe mir wenigstens nicht das Haar bis auf die Schultern wachsen lassen und einen Riesenwirbel veranstaltet, wenn ich mir etwas Neues zum Anziehen kaufen mußte.«
»Ja, in Kleiderfragen sind sie wirklich eigen«, gab seine Frau zu. »Früher ließ ein Mann sich seine neuen Hemden einfach von seiner Frau kaufen. Aber ich würde es nicht wagen, für die Jungen Kleidungsstücke zu besorgen. Die Hemden müssen genau die richtige Farbe haben und den richtigen Kragen und wehe, wenn der Stil nicht lässig genug ist. Und mit ihrem Haar haben sie genauso ein Theater. Alle heiligen Zeiten einmal gelingt es mir, sie zu überreden, sich ein paar Zentimeter abschneiden zu lassen. Aber dann starren sie ständig in den Spiegel und sagen: >Nein, Mutter, das Stück nicht, das würde ja die ganze Linie zerstören<. Manchmal frage ich mich, ob das wirklich dieselben Jungen sind, die mit ihren Autos wie Rennfahrer durch die Gegend brausen und den Polizisten gegenüber den starken Mann spielen, oder ob sie nicht eher zimperliche, zaghafte Frauen sind, denen
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