Zärtliche Wildnis
von Southville sein — nur bleibt es immer beim Träumen. Kurz bevor es zu ernst wird, scheut er immer. Aber das ist jetzt unwichtig. Erzähle erst einmal.«
»Sag du mir erst, warum du immer Postkarten ohne Adressen schreibst. Drei sind mir nachgeschickt worden, und ich wollte dir so gern schreiben, aber ich hatte ja deine Adresse nicht. Ich glaube, den Namen des Krankenhauses hast du mir nie gesagt, oder vielleicht hast du ihn einmal flüchtig erwähnt, denn als ich zum erstenmal von Southville hörte, hatte ich das Gefühl, den Namen von irgendwoher zu kennen. Aber ich hätte mir nicht träumen lassen, daß du davon gesprochen hast. Es war wirklich scheußlich vergeßlich von dir, nie die Adresse auf die Karten zu schreiben, und die Poststempel waren auch unleserlich.«
»Ich hätte schwören können, daß ich dir meine Adresse geschickt habe. Erst letzte Woche fiel mir der Name deines Anwalts ein, und ich schrieb ihm, um mich nach deiner Adresse zu erkundigen. Er hat noch nichts von sich hören lassen, aber ich wäre dir schon noch auf die Spur gekommen, denn ich hatte nicht die geringste Absicht, dich aus den Augen zu verlieren, das weißt du doch. Oh, Liz, es ist herrlich, dich wiederzusehen. Du hast dich unheimlich verändert, weißt du das? Los, jetzt erzähle mir, was du hier machst.«
»Ich wohne in Windythorpe in einem kleinen Haus und betätige mich morgens als Kindergärtnerin. Ich habe zehn Kinder, und sie kommen jeden Morgen von zehn bis halb eins. Es macht unheimlich Spaß. Wir treffen uns im Gemeindehaus, und den Kindern macht es genauso viel Freude wie mir. Und für die Mütter ist es natürlich eine Erleichterung. Die nächstliegende Schule ist so weit weg, daß die Leute in Windythorpe ihre Kinder erst mit sechs hinschicken.«
»Aber, Liz, das ist ja gräßlich! Bist du von allen guten Geistern verlassen, daß du auf so eine Schnapsidee verfallen bist? Ich dachte, du wolltest auf eine Handelsschule gehen oder reisen und dich amüsieren. Das ist ja ein fürchterlicher Einfall — sich auf dem Land zu verkriechen und Kindergärtnerin zu spielen. Warum hast du das bloß getan, Liz? Ach, du meine Güte, ich hätte dich doch nicht alleinlassen sollen. Ich vermute, die Frauen im Bus haben dich beschwatzt, und du hattest nicht den Mumm abzulehnen.«
»Du täuschst dich. Ich habe einen prachtvollen Hund, und ich lerne das, was ich am dringendsten lernen muß — den Umgang mit Menschen.«
»Nun ja, ein Hund ist immerhin etwas. — Aber diese langweiligen Leute. Sicher, ich bin überzeugt, daß sie reizend und freundschaftlich zu dir sind, aber lauter brave Eheleute! Das ist doch nicht das Richtige für dich.«
»Kay! Jetzt sage bloß nicht, daß du zu diesen Snobs gehörst, die der Meinung sind, die Leute vom Land wären für die Städter nicht gut genug. Ich finde diese Einstellung abscheulich. Ich glaube, der Mann, den ich hergebracht habe, gehört auch zu diesen Menschen, die meinen, sie wären etwas Besseres. So ein Typ könnte mir nie gefallen.«
»Da sei dir mal nur nicht so sicher. — Aber nein, natürlich gehöre ich nicht zu den Menschen, die meinen, sie wären den Landleuten haushoch überlegen. So etwas ist hoffnungslos altmodisch. Aber sie sind doch einfach nicht amüsant und viel zu alt für dich. Du solltest lieber mit vergnügten, jungen Leuten zusammensein, nicht mit verheirateten Frauen und Männern und einem Haufen rotznäsiger Dreikäsehochs.«
»Wie kannst du nur so reden? Das finde ich nicht schön von dir. Aber es ist mir gleich. Ich bin hier, weil ich hierherkommen wollte, und ich weiß, daß es richtig war. Ich helfe den Müttern, indem ich ihnen die Kinder abnehme, und sie haben mir geholfen, meine alberne Schüchternheit zu überwinden. Ihnen gegenüber bin ich nie befangen. Aber die Busfahrt war natürlich auch ein echtes Abenteuer«, und sie schilderte die Nacht in dem einsamen Haus. Kay war jedoch noch immer nicht zufrieden.
»Ja, ja, das klingt ja alles sehr romantisch, und es wäre vielleicht auch romantisch gewesen, wenn in der Gruppe ein passabler junger Mann gewesen wäre. Aber nur Ehepaare und diese braven Hausfrauen... Ach, du lieber Himmel, ich hätte dich gar nicht aus den Augen lassen dürfen. Jetzt hast du dich bestimmt auf Jahre mit diesem sterbenslangweiligen Job festgelegt.«
»Nein, das stimmt nicht. Ich habe versprochen, ein Jahr zu bleiben, vielleicht auch zwei. Aber dann werde ich gar nicht mehr gebraucht, weil die Kinder bis dahin alt genug
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