Zärtliche Wildnis
verübeln. Mit Magenkrämpfen kann man nicht nach Hause fahren.«
Plötzlich verlor Liz die Beherrschung. Sie war müde, und seine Hänseleien reizten sie bis aufs äußerste.
Sie sprang auf, warf ihre Kaffeetasse um und rief hitzig: »Ach, fahren Sie endlich nach Hause. Ich brauche mich doch von Ihnen nicht mitten in der Nacht hänseln zu lassen. Das finde ich gar nicht komisch.«
»Nein, nicht halb so komisch, wie mitten in der Nacht Würstchen im Brotteig zu backen«, versetzte er.
Und da tat Liz etwas noch nie Dagewesenes. Sie stand neben dem Tisch, auf dem die mißratenen Brötchen lagen, und plötzlich packte sie eines von den verbrannten und warf es mit aller Wucht nach Andrew. Es sauste an ihm vorbei und zerbrach an der fleckenlosen Wand.
Liz war sprachlos. Nie im Leben hätte sie es sich träumen lassen, daß sie jemals einen Gegenstand nach einem anderen Menschen werfen würde, schon gar nicht nach einem Mann. Von solchen Ausbrüchen las man nur in den Berichten über Demonstrationen und Protestmärsche, wo entsetzlich vulgäre junge Leute mit allem, was ihnen zur Hand kam, nach den Polizisten warfen. Sie wollte eben ihren Gefühlen Ausdruck geben, doch Andrew kam ihr zuvor.
Er war aufgesprungen, und sein Gesichtsausdruck flößte ihr einen Moment lang beinahe Angst ein.
Er lachte unangenehm und sagte: »Entschieden ein Opfer der Frauenbewegung. Aber jetzt ist der Herr und Gebieter an der Reihe.«
Ohne die geringste Warnung nahm er sie in seine Arme, hob sie hoch und küßte sie herzhaft auf den Mund. Dann stellte er sie wieder auf die Füße und blickte stirnrunzelnd zu ihr hinunter.
11
Stumm standen sie einander gegenüber. Liz zitterte, und Andrew war errötet und atmete rasch. Pirate, der einzugreifen gedroht hatte, beruhigte sich wieder, seufzte schwer und streckte sich neben ihnen aus.
Andrew sprach zuerst. »Sagen Sie jetzt nur nicht >Wie können Sie es wagen?< und spielen Sie mir nicht die entrüstete junge Dame von Anno dazumal vor. Sie sind schon früher geküßt worden, und Sie müssen zugeben, daß Sie mich absichtlich ärgerlich gemacht haben. Aber trotzdem bitte ich Sie um Verzeihung, Liz.«
Als sie immer noch nichts sagte, sprach Andrew ruhiger weiter.
»Sie müssen doch gemerkt haben, daß ich Sie liebe, aber Sie legten es darauf an, mich zu reizen. Und es ist Ihnen leider gelungen.«
»Ich habe es gar nicht darauf angelegt. Es ist gemein von Ihnen, so etwas zu behaupten.«
»Warum? Ich dachte, ihr Mädchen sammelt Heiratsanträge, wie manche Leute Maori-Kunstwerke sammeln.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie meinen — und außerdem war es gar kein Heiratsantrag.«
»Schön, dann will ich ganz deutlich werden. Würdest du mich heiraten, Liz?«
Zu seiner Überraschung stieß sie einen tiefen Seufzer aus und sagte, halb zu sich selbst: »Ich habe doch nie Glück. Nicht ein einziger formeller Heiratsantrag.«
»Mein liebes Kind, was um alles in der Welt soll denn das nun wieder heißen?«
Immer noch mehr mit sich selbst sprechend als mit ihm, fuhr sie fort: »Ich habe immer gehofft, daß eines Tages ein Mann mir einen ganz formellen Heiratsantrag machen und mich auf nette und höfliche Art bitten würde, seine Frau zu werden.«
»Ja, habe ich denn das nicht getan?«
Sie wurde sich plötzlich seiner Gegenwart und seiner Verwirrung bewußt.
»Nein, nicht richtig«, erklärte sie. »Ich habe mir immer einen richtigen Heiratsantrag gewünscht, wo der Mann niederkniet und meine Hand hält — so wie in den alten Büchern, die ich Mutter vorgelesen habe.«
»Die müssen ja wirklich uralt gewesen sein.« Als er merkte, daß sie ihm kaum zuhörte, faßte er sie an den Schultern und schüttelte sie sanft. »Wach auf, Liz. Ich liege zwar nicht auf den Knien vor dir, aber ich wünsche mir von Herzen, daß du mich heiratest, und wenn das kein Heiratsantrag ist, dann weiß ich nicht, was es sonst ist.«
Sie befreite sich und ging, immer noch halb im Traum, durch das Zimmer. Er blickte ihr mit gerunzelter Stirn nach.
»Liebe Liz«, sagte er dann behutsam, »ich habe dich gebeten, mich zu heiraten. Was hast du mir darauf zu sagen? Ich hoffe sehr, daß du ja sagst.«
Sehr ruhig und sehr gesetzt antwortete sie: »Vielen Dank, ja, ich nehme den Antrag an.«
Plötzlich begannen sie beide zu lachen. Pirate, dessen Miene im Verlauf der Ereignisse immer größere Verständnislosigkeit gezeigt hatte, war höchst erleichtert und begann freudig herumzuspringen, wobei
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