Zärtlicher Eroberer
gelang, die Cambourne-Interessen zu kontrollieren. Die Stärke seines Kartells und dessen Fähigkeiten, die Preise für Zinn und Kupfer zu bestimmen, würden minimal bleiben, wenn die Cambourne-Minen und andere damit verbundene Industriezweige sich dem Bündnis entzogen und Preiswettbewerb betrieben.
St. Just war ein unglückliches Hindernis, aber kein unüberwindliches. Er musste sich in London nach Neuigkeiten über den heimgekehrten Viscount umhören. Nach neun Jahren im diplomatischen Corps musste es einfach Flecken auf seiner weißen Weste geben – irgendeinen echten Skandal, nicht nur sein Ruf als Frauenheld.
Lucien war noch keinem Diplomaten begegnet, der nicht bestochen werden konnte, die Außenpolitik ein wenig anders zu gestalten. Geschmiert zu werden bedeutete für ihn nichts Schlimmes. Lucien war welterfahren genug, um zu wissen, dass ein paar Tropfen Schmieröl die Maschine am Laufen hielten. Bei Philippa war das hingegen etwas anderes. Sie glaubte an Ideale, wie diese Schule, die ihr der verstorbene Duke zu eröffnen erlaubt hatte.
Lucien glaubte, dass sie es schlecht aufnehmen würde, wenn sie erfuhr, dass der umwerfende St. Just nicht nur ein Frauenheld war, sondern ein Mann, der sich gegen entsprechende Bezahlung auf finstere Geschäfte eingelassen hatte. Rechte an Schifffahrtswegen oder Handelserleichterungen etwa wurden in der Regel still und leise dem Meistbietenden gewährt und nicht unbedingt denen, die sie am nötigsten brauchten. Solche Ungerechtigkeiten würde Philippa nicht hinnehmen.
Bis es ihm jedoch gelang, St. Justs weißer Weste ein paar Flecken zu verpassen, wollte er die alte Regel befolgen, dass man Freunde gut, aber Feinde noch besser im Auge behalten sollte. Es war höchste Zeit, dem Garten einen Besuch abzustatten.
5. KAPITEL
Philippa sah Lucien nicht kommen, spürte seine Ankunft aber, als Valerian sich plötzlich anspannte und ein gefährliches Glitzern in seinen Augen sichtbar wurde. Sie versuchte, ihm ihre Hand diskret zu entziehen, aber sie hätte sich die Mühe sparen können. Luciens finstere Miene verriet eindeutig, dass er ihre Hand in Valerians bereits gesehen hatte.
Philippa ärgerte sich über die Störung. Eine Zeit lang hatte eine freundschaftliche Stimmung zwischen ihr und St. Just geherrscht, sie waren wieder einfach nur Philippa und Valerian gewesen, wie am Vorabend auf der Tanzfläche. Sie hatte es gemocht, wie sie sich ruhig und vertraut über ihre Ehe mit dem Duke unterhalten hatten. Sie hatte das Fehlen von verbalen Spitzen genossen, die nur den Zweck hatten, den anderen zu treffen im Gerangel um Forderungen und Besitzansprüche. Durch Luciens Erscheinen war das alles wieder da, und sogar noch verstärkt. In dem Moment, als Valerian Lucien entdeckt hatte, war er wieder St. Just geworden – der verwegene Diplomat, der sich von keinem Mann in die Ecke treiben und Schuldgefühle einreden ließ.
„Philippa, es ist eiskalt“, sagte Lucien und rieb sich die Hände. Valerians Anwesenheit ignorierte er geflissentlich. „Was treibt dich bei diesem Wetter nur nach draußen?“
„Wir haben in Erinnerungen geschwelgt und uns etwas erzählt“, erklärte Philippa, und das stimmte ja auch. Sie hatten über die Vergangenheit gesprochen, nichts weiter.
„Meine Liebe, genau deshalb haben wir ein Dutzend Salons, in denen man sich gemütlich unterhalten kann.“ Lucien lachte gezwungen.
„Stimmt das, oder ist das nur eine Übertreibung?“, warf Valerian ein. Er schirmte die Augen mit der Hand ab und ließ den Blick demonstrativ über das Herrenhaus schweifen, als zählte er all die Salons und bezweifelte, ob das Anwesen für so viele überhaupt groß genug war.
Philippa wusste nicht recht, was sie zuerst tun sollte: lachen, weil Luciens Prahlerei durchschaut worden war – das Gebäude war zwar groß für die Verhältnisse in Truro, aber zwölf Salons gab es nicht, es sei denn, man rechnete die kleinen Räume mit, die einigen der größeren Schlafzimmer hinzugefügt worden waren –,oder Valerian erwürgen, weil er so absichtlich Luciens Stolz verletzte, nur um den Mann zu ärgern. „St. Just interessiert sich für Gärten. Ich dachte, es würde ihm gefallen, sich einmal deinen anzusehen“, lenkte Philippa rasch ein.
Valerian lächelte. „Ja, unsere Familie besitzt ausgedehnte Gartenanlagen auf der Halbinsel Roseland. Ich kann es kaum erwarten, dorthin zurückzukehren.“
Lucien erwiderte sein Lächeln. „Ich hoffe doch, Sie haben es nicht allzu eilig
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