Zärtlicher Eroberer
sah, was sie mit der ältlichen Lady Pentlow anfangen sollte.
Unerwartet rettete Valerian sie auf bewundernswerte Weise aus ihrem Dilemma. „Duchess, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich heute Abend ein wenig Klavier spiele? Mir steht momentan nicht so der Sinn nach Karten oder geschäftlichen Unterhaltungen.“ Valerian nickte kurz zu der lebhaft diskutierenden Gruppe um Lucien hinüber, und sein Tonfall hatte verraten, wie unpassend er ein solches Gesprächsthema in einer solchen Runde fand.
„Es wäre wunderschön, Sie wieder spielen zu hören, Mylord“, antwortete Philippa und musste insgeheim lachen über ihre förmliche Anrede, so steif und gesittet im Vergleich zu den hitzigen Wortgefechten, die sie sich unter vier Augen geliefert hatten.
Valerian deutete eine Verneigung an. „Lady Pentlow, ob ich Sie wohl bitten dürfte, für mich die Notenseiten umzublättern? Ich erinnere mich, dass Sie beim Essen sagten, Ihnen gefielen volkstümliche Balladen. Canton hat eine recht anständige Notensammlung, vielleicht könnten Sie sie einmal durchsehen und ein paar Stücke heraussuchen.“Valerian bot Lady Pentlow den Arm und begleitete sie zum Klavier, wobei er den Kopf neigte, um dem aufgeregten Geplauder der älteren Dame zuzuhören.
Philippa sah ihnen dankbar nach. Wie geschickt Valerian das Problem gelöst hatte! Lady Pentlow war eine reizende Dame, und Philippa hatte nicht gewollt, dass sie sich ausgegrenzt fühlte. Valerian hatte gespürt, dass Not am Mann war und sofort gehandelt. Im Gegensatz zu Lu cien. Dafür, dass er ein Mann war, in dem sie einmal einen höchst geeigneten Heiratskandidaten gesehen hatte, hegte sie in letzter Zeit ziemlich unerfreuliche Gefühle für ihn.
Philippa sah zu Luciens Männerrunde hinüber und fragte sich, welches Thema wohl so interessant sein mochte, dass er darüber seine Gäste vergaß. Normalerweise war Lucien ein ausgezeichneter Gastgeber, dem nicht das geringste Detail entging und der jeden seiner Gäste mit äußerster Höflichkeit behandelte. An diesem Abend überließ er diese Aufgabe ganz ihr. Ihr machte das nichts aus, schließlich war sie ja hier, um die Gastgeberin zu spielen. Trotzdem sah ihm ein solches Verhalten gar nicht ähnlich, und es kam ihr eigenartig vor, dass er einen derartigen Fauxpas beging. Wie konnte er sich überhaupt mit Mr. Danforth so intensiv unterhalten, den er vor zwei Tagen angeblich noch nicht einmal gekannt hatte.
„Kommst du? Wir wollen anfangen zu spielen“, rief Beldon ihr vom Kartentisch her zu.
Philippa lächelte und nahm Platz. „Ich hoffe, mein Bruder hat Sie vorgewarnt, was für ein gnadenloser Spieler er ist!“
Das Spiel verlief lebhaft, und nach jeder Runde wechselten sie die Partner. Die Trewithens erwiesen sich als starke Herausforderer und verlangten Philippas ganze Aufmerksamkeit. Eigentlich war sie eine gute Kartenspielerin, und Whist und Piquet waren ihre Lieblingsspiele. Doch an diesem Abend wurde sie von zu vielen anderen Dingen abgelenkt, nicht zuletzt von den ruhigen Balladen, die Valerian auf dem Klavier spielte. Ab und zu hörte sie Lady Pentlow mit hoher Stimme ein paar Liedzeilen mitsingen.
Endlich wurde der Tee serviert und somit das Ende des Abends eingeläutet. Philippa schenkte ein und gesellte sich dann wieder zu Beldon und den anderen. „Was, glaubst du, hat derart Luciens Interesse geweckt?“, fragte sie ihren Bruder leise.
Beldon lachte, teils amüsiert, teils spöttisch. „Wie ich sehe, ist es hier doch von Vorteil, ein Mann zu sein. Wenn du am Tisch hättest bleiben dürfen, wärst du in den Genuss von Mr. Danforths Ankündigung gekommen, dass er hier in Truro eine Bank eröffnen will, die Provincial Bank of Truro oder etwas ähnlich Unsinniges.“
„Unsinnig?“, wollte Philippa wissen. „Warum sagst du das?“ „Du weißt doch, was solche Provinzbanken in Wirklichkeit sind, Philippa. Sie sind Investmentgesellschaften.“
Sie nickte zustimmend. Cambourne hatte Geschäfte mit Praed & Co. gemacht, einer Bank in Truro, die in risikoreiche unternehmerische Vorhaben investiert hatte, wie zum Beispiel Erfindungen und neue Technologien. Wenn man klug war, konnten sich solche Investitionen auszahlen. Cambourne hatte Glück mit ihnen gehabt, aber es war nicht überraschend, dass diese Provinzbanken öfter Bankrott gingen als jene Geldhäuser, mit denen man in London Geschäfte machte.
Jetzt konnte sie Luciens Interesse besser verstehen. Er interessierte sich immer für Geld. „Ob Lucien auch
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