Zärtlicher Eroberer
achtest. Um dir zu beweisen, wie aufrichtig ich um dich besorgt bin, fühle ich mich verpflichtet, dir Neuigkeiten über dei nen guten Freund, Viscount St. Just, mitzuteilen. Mir ist kürzlich zu Ohren gekommen, dass man ihn ver dächtigt, Verrat begangen zu haben, als er im Dienste Englands auf dem Balkan war – es wurde eine kleine Stadt namens Negush in diesem Zusammenhang er wähnt.
Natürlich kenne ich die Einzelheiten nicht und weiß nicht einmal, ob diese Behauptungen wahr sind. Den noch dachte ich mir, du solltest Bescheid wissen. Du kennst ihn mehr als ich und bist vielleicht am besten geeignet, ihn zu entlasten, sollten sich diese Vorwür fe als mehr als bloße Gerüchte und Vermutungen in Whitehall erweisen.
Ich rate dir, die Augen offen zu halten, was deinen Freund betrifft. Halte Ausschau nach allen Dingen, die gegebenenfalls seine Unschuld beweisen könnten. Ich war überrascht, als ich erfuhr, du wärst nach Ro seland gefahren. Bitte achte auf deinen guten Ruf. Ich möchte nicht, dass du allein wegen deines Umgangs mit ihm zu leiden hast, sollte St. Just tatsächlich als Verräter gebrandmarkt werden.
Ich bleibe wie immer dein treuer Freund,
Lucien
Philippa zerknüllte das edle Briefpapier in der Hand. Verrat? Was war denn das für ein Unsinn? Andererseits war es vielleicht doch kein völliger „Unsinn“. Es gab keinen Grund, warum Lucien sich das alles ausdenken sollte, und wirklich, so ein ernstes Thema wie Verrat konnte man nicht einfach erfinden und erwarten, damit durchzukommen. Hätte Lucien das Ganze für unwahr gehalten, hätte er sich erst gar nicht die Mühe gemacht, ihr zu schreiben und ihr den Brief dann auch noch von einem Eilboten zustellen zu lassen.
Und genau das beunruhigte sie. Der Brief war in größter Eile abgeschickt worden. Lucien hatte sich ausdrücklich an sie gewandt, weil er ihr diese Neuigkeit unbedingt mitteilen wollte. Er hatte weder die Bank noch irgendwelche Ereignisse aus Truro erwähnt. Die Schreiben, die sie in der Vergangenheit von ihm erhalten hatte, waren voller solcher Berichte gewesen. Es sah Lucien gar nicht ähnlich, einen Brief zu schreiben, in dem nicht ein einziges Mal von Finanzen die Rede war. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass er zu so etwas überhaupt fähig war.
Sie hatte ein ungutes Gefühl. Philippa sah auf die kleine Uhr an der Wand. Elf Uhr. Valerian würde nicht vor dem Tee zurück sein, also frühestens in vier Stunden. Vier Stunden, in denen sie das Haus nach Beweisen durchsuchen konnte, dass das alles nur haltlose Gerüchte waren. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wonach sie suchen sollte.
Plötzlich fiel ihr auf, dass sie nichts darüber wusste, was er während seiner Zeit im Ausland gemacht hatte. Wenn man nach irgendwelchen Hinweisen fahndete, musste man normalerweise einen Ausgangspunkt haben. Aber Philippa hatte nichts weiter als den Namen einer Stadt, von der sie noch nie gehört hatte.
Damit wollte sie anfangen. In der Bibliothek gab es bestimmt einen Atlas. Und danach konnte sie schon einmal üben, wie man den Mann, den man liebte, danach fragte, ob er Verrat begangen habe.
14. KAPITEL
Zu guter Letzt entschied sich Philippa, gar nichts zu sagen. Valerian war sehr spät zurückgekehrt, gerade noch rechtzeitig zum Abendessen, und schien äußerst missgestimmt zu sein, weil eine kleine Mauer im Steingarten eingestürzt war. Sie hatten einen Tag lang hart daran gearbeitet und waren trotzdem nur mühsam mit dem Wiederaufbau vorangekommen.
Abgesehen von Valerians schlechter Laune hielt sie es für klüger, erst dann mit ihm zu reden, wenn sie irgendetwas in der Hand hatte. Sonst hätte sie gestehen müssen, dass ihr Interesse für dieses Thema allein durch den möglicherweise unwahren Brief von Lucien geweckt worden war. Da sie wusste, wie Valerian über Lucien dachte, hielt sie es für sinnvoll, wenn dieser Brief gar nicht erst zur Sprache kam. Wenn sie herausfinden wollte, was es mit Luciens Besorgnis auf sich hatte, musste sie das allein tun.
Sie überließ es Beldon, das Tischgespräch zu führen. Er war ganz angetan von der Begegnung mit einem Erfinder namens William Bickford. „Er hat einen Sicherheitszünder konstruiert, durch den Sprengungen berechenbarer werden.“ Beldon unterbrach sich kurz und trank einen Schluck Wein. „Stell dir vor, Philippa, er stammt aus deiner Gegend! Er lebt in Tuckingmill, ganz in der Nähe von Cambourne. Er ist gerade zu Besuch bei Freunden. Du solltest ihn kennenlernen und ihm helfen,
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