Zärtlicher Eroberer
überhaupt überlebten. Und Valerian hatte gewusst, dass in diesem Teil der Welt Waisen fast immer dem Tod geweiht waren.
Lilya ergriff nun doch das Wort. „Meine Tanten und Onkel haben uns in den letzten Jahren großzügig bei sich aufgenommen, aber nun ist ein neuer Krieg zwischen den Türken und den Russen ausgebrochen. Jetzt ist es nirgends mehr sicher. Dieser Krieg wird nicht der letzte sein, aber auch er wird nichts verändern. Nicht für Menschen wie uns.“ Sie sah Valerian mit ihren dunklen Augen um Verständnis bittend an. „Ich weiß, es ist die Rede von Frieden, aber Krieg kann viele Gesichter haben. Ich musste einfach versuchen, für ein besseres Leben für uns beide zu sorgen.“ Sie zeigte auf den schweigenden Konstantin.
„Ihr beide seid hier willkommen“, versicherte Valerian ihr. Ihm war nur allzu gut bekannt, was die Folgezeit nach einem sogenannten Frieden mit sich brachte. Frieden auf dem Balkan bot den westlichen Mächten die Chance, dort ihre eigenen ökonomischen Interessen durchzusetzen. Nur deshalb hatte der Westen sich überhaupt in die Konflikte eingemischt. Es würde noch jahrelang „Krieg“, wie Lilya das genannt hatte, auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene geben. Doch vielleicht ließ das Blutvergießen irgendwann nach, und dann wurde womöglich auch die Lebensqualität besser. Ein Mann konnte ein Vermögen in dieser Nachkriegszeit machen, aber Frauen und Kinder waren an solchen Orten nicht sicher.
Philippa zeigte zur Treppe und schlug freundlich vor, dass sich jetzt alle erst einmal für das Abendessen umzogen. Valerian war ihr dankbar für ihr umsichtiges Eingreifen. In der allgemeinen Aufregung hatte er ganz vergessen, dass sie noch immer mitten in der Eingangshalle standen.
Valerian wusch sich und zog sich so schnell um, wie sein Lakai es zuließ. Er musste Philippa noch unbedingt vor dem Essen sprechen, er konnte damit nicht warten, bis sie sich für die Nacht zurückgezogen hatten.
Philippa saß vor ihrem Spiegeltisch und ließ sich gerade von ihrer Zofe frisieren, als er eintrat. Sie trug ein salbeigrünes Seidenkleid, das ihre runden, straffen Brüste gut zur Geltung brachte, und das wiederum erinnerte ihn daran, wie verführerisch ihr Körper war. Sein Verlangen regte sich. Am liebsten hätte er die Zofe fortgeschickt und seinem Begehren nachgegeben. Trog der Spiegel, oder sahen ihre Brüste wirklich voller aus? Er verspürte das unwiderstehliche Bedürfnis, seine Hände um sie zu legen und sich selbst zu vergewissern.
„Val.“ Philippa wandte sich vom Spiegel ab und flüsterte der Zofe etwas zu.
„Du hast es mir erspart, das selbst tun zu müssen“, scherzte Valerian und setzte sich auf das Bett, nachdem die Zofe gegangen war.
„Ich nahm an, du wolltest mit mir reden.“
Valerian nickte. „Ich möchte dir danken für alles, was du heute getan hast. Mein Butler bestand darauf, mir alle deine Bemühungen einzeln zu schildern. Wie er selbst von Mrs. Wilcox gehört hat, hast du nicht das geringste Detail übersehen, vom Menü heute Abend bis zum Herrichten der Zimmer, einschließlich des Kinderflügels.“ Er griff nach ihrer Hand. „Steves ist der Ansicht, du hättest dich vorbildlich verhalten und die Gäste nichts entbehren lassen, selbst als darüber spekuliert wurde, ob der Junge wohl mein unehelicher Sohn sei.“ Er äußerte das ganz freundlich, dennoch spürte er Philippas Anspannung.
Er hatte seinem Butler das Geständnis förmlich aus der Nase ziehen müssen. Dieser war irgendwann in der durchaus einseitigen Unterhaltung verstummt, als wäre ihm bewusst geworden, dass er schon zu viel gesagt hatte. Doch Valerian hatte darauf bestanden, dass er weiterredete. Und dann hatte er schließlich die Erklärung für Philippas seltsamen Gesichtsausdruck unten in der Halle gefunden. Sie hatte die Möglichkeit ebenfalls in Betracht gezogen.
„Sein dunkles Haar und sein Alter ließen durchaus eine solche Schlussfolgerung zu“, antwortete sie schließlich, „und wenn Konstantin dein Sohn wäre, könnte ich dir das nicht zum Vorwurf machen, Val. Ich hatte keinen Anspruch auf dich in all den Jahren. Es wäre nicht realistisch gewesen, zu erwarten, dass du in der ganzen Zeit keinerlei Verbindungen eingehst.“
„Du bist zu gütig, Philippa, ich habe das kaum verdient.“ Vor allem, fügte er in Gedanken hinzu, wenn man bedachte, dass sie ihn in der Zeit für einen vollkommen anderen Mann gehalten und geglaubt hatte, er hätte sie wirklich bewusst
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