Zärtlicher Eroberer
nachdenken.“Valerian schüttelte den Kopf. „Um über uns nachzudenken.“ Er reichte ihr den Korb mit warmem Toast, über den eine Serviette gebreitet war. „Du bist nun schon fast zwei Monate in Roseland. Ich kann mir dieses Haus nicht mehr vorstellen ohne dich. Du warst sehr großzügig mit deiner Zeit, und ich weiß, Cambourne ist kein kleiner Besitz. Aber ich ertrage die Vorstellung nicht, du könntest abreisen.“
Philippa hob die Serviette an und griff nach einer Scheibe Toast. Sie runzelte die Stirn. Unter dem Toast lag eine kleine Schachtel. „Was ist das?“ Philippa nahm sie heraus.
„Etwas, das ich dir schon vor Jahren hätte geben sollen. Ich hatte es am Abend des Balls bei den Rutherfords dabei.“ Mit einer Handbewegung forderte er sie stumm auf, die Schachtel zu öffnen.
Sie hob vorsichtig den Deckel ab und entdeckte einen Ring mit einem großen Smaragd, der von winzigen Diamanten umgeben war. „Er ist wunderschön.“ Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. „Was hat das zu bedeuten, Val?“
„Das bedeutet, dass ich dich heiraten will. Aber zuerst muss ich dir noch etwas sagen, damit du in vollkommener Kenntnis der Dinge entscheiden kannst, ob du mich auch heiraten willst oder nicht.“
Die letzte Bemerkung beunruhigte sie, denn sie musste unwillkürlich an Luciens Brief denken. Wollte er ihr jetzt etwas Schreckliches gestehen, oder gab es eine vernünftige Erklärung für das alles? Vielleicht klammerte Lucien sich ja auch nur an einen Strohhalm, weil er sich zurückgewiesen fühlte.
Philippa legte den Toast auf ihren Teller und verschränkte die Finger. „Noch mehr Geheimnisse?“, versuchte sie zu scherzen.
„So in etwa.“ Valerians Miene wirkte schmerzerfüllt, und er schwieg eine Weile, offenbar um die richtigen Worte zu finden.
Philippas Herz wurde schwer. Sie wollte ihn so gern trösten, gleichzeitig bereitete sie sich auf das Schlimmste vor.
Valerian holte tief Luft. „Lilyas Vater, Dimitris, gehörte zu den Rebellen, die versuchten, sich von der türkischen Herrschaft zu befreien. Anfangs waren sie recht erfolgreich. Sie waren gut organisiert, und so wurden die Osmanen 1822 aus dem Bezirk Negush vertrieben. Diesem Sieg folgte ein weiterer im Bezirk Voden, aber die osmanische Armee war zu groß, um ihr längere Zeit standhalten zu können.
Die türkische Armee schickte Gesandte zu den Rebellen. Man bot ihnen Bedingungen für eine Kapitulation und eine friedliche Wiedereingliederung in das Osmanische Reich an. Ich war unter den Gesandten, die zu Dimitris’ Gruppe geschickt wurden. Ich hatte inzwischen zwei Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet. Nach den ersten paar Monaten in Wien sammelte ich meine Erkenntnisse außerhalb der Ballsäle, in kleinen Dörfern, wo sich das wirkliche Leben abspielte. Ich wurde ausgewählt, dort hinzugehen, weil ich diese Menschen kannte. Ich sprach ihre Sprache. Zu ihrem, aber auch zum Wohl ihrer Familien hoffte ich, sie würden sich von mir beeinflussen lassen. Das taten sie jedoch nicht.
Die Vergeltung der osmanischen Armee war grauenvoll. Dörfer wurden geplündert, Frauen und Kinder getötet. Schließlich näherte sich die Armee Dimitris’ kleiner Stadt Negush. Er war schon vorher gefangen genommen worden, und man hatte mir noch einmal erlaubt, ihn zu sehen. Er ließ mich schwören, dass ich mich um seine Familie kümmern würde. Er wusste, was ihm bevorstand. Ihm war klar, dass ihn der sichere Tod erwartete.“
Ein Geräusch an der Tür ließ ihn innehalten, und Philippa sah sich erstaunt um. Steves hastete Entschuldigungen stammelnd auf sie zu. „Mylord, sie wollten nicht abwarten, bis man sie empfangen würde. Mylord …“
Eine Gruppe Männer erschien hinter Steves auf der Terrasse, angeführt von keinem Geringeren als Lucien Canton.
Valerian stand auf und stellte sich schützend vor Philippa. Seine Miene war grimmig und angespannt, doch Philippa trat neben ihn und griff nach seiner Hand. Furcht stieg in ihr auf. Sie wünschte, sie hätte Valerian von dem Brief erzählt. Lucien war nicht hier, um sich ihretwegen zu streiten. Er hatte es auf Valerian abgesehen. „Ich liebe dich, Val“, flüsterte sie ihm zu. Er drückte ihre Hand fest, dann ließ er sie los.
„Was hat das zu bedeuten, Canton? Sie können nicht einfach willkürlich in das Haus eines Mannes eindringen.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah den nur wenig kleineren Canton von oben herab an.
Dieser zog ein amtlich aussehendes Dokument hervor. „Ich
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