Zärtlicher Eroberer
denke, alles ist möglich, wenn man einen Haftbefehl hat“, erwiderte er eisig. „Für Sie gelten die Regeln nicht mehr, St. Just. Sie sind verhaftet wegen eines Staatsverbrechens.“
Es gelang Valerian, kein überraschtes Gesicht zu machen. Stattdessen zog er nur leicht die Augenbrauen hoch. „Welches soll das sein?“
Lucien hielt seinem Blick unbeirrt stand. „Landesverrat, Mylord.“
17. KAPITEL
„Landesverrat? Mit welcher Begründung denn?“Valerians Tonfall ließ darauf schließen, wie lächerlich er diese Anwürfe fand.
Lucien gefiel es ganz und gar nicht, dass St. Just dieser Situation offenbar etwas Komisches abgewinnen konnte. Und Philippa hätte Valerian am liebsten gewarnt, Lucien nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Mochte Valerian nicht weiter beunruhigt sein, aber sie selbst hatte schreckliche Angst. Das war alles ihre Schuld. Sie hätte Luciens Heiratsantrag etwas sensibler ablehnen sollen. Sie hätte nicht so unmittelbar danach nach Roseland fahren sollen, so hatte sie ihm den Eindruck vermittelt, dass sie den Viscount ihm vorzog. Auch hätte sie Valerian von dem Brief erzählen sollen, dann wäre er wenigstens vorgewarnt gewesen.
„Sie können sich Ihre Unschuldsbeteuerungen sparen, St. Just. Sie wissen ganz genau, was Sie getan haben, und ich weiß es auch. Sie haben 1822 beim Aufstand im Bezirk Negush britische Verbündete getötet, um die Rebellen zu unterstützen“, zischte Lucien.
Philippa spürte, wie Valerian neben ihr erstarrte. „Wie bequem, jemanden als Verräter abzustempeln aufgrund von unbewiesenen Vermutungen über Geschehnisse, die sich vor acht Jahren und zweitausend Meilen von hier entfernt ereignet haben“, gab Valerian aufgebracht zurück. „Ich hatte keine Ahnung, wie leicht es heutzutage ist, jemanden als Spitzel anzuschwärzen“, spottete er. „Und jetzt verschwinden Sie, solange Sie dazu noch in der Lage sind. Meine Lakaien werden nicht zögern, Gewalt anzuwenden.“
„Wir auch nicht“, erwiderte Lucien und zeigte auf die Männer hinter sich. „Ich habe ein paar der besten Soldaten Seiner Majestät mitgebracht, um dafür zu sorgen, dass Sie mit uns kommen, so oder so. Sie mögen vielleicht denken, die Verdachtsmomente gegen Sie seien fadenscheinig, aber unsere Machthaber halten sie für durchaus begründet“, sagte Lucien höhnisch.
„Hat Ihnen Ihr Vater den Haftbefehl ausgestellt?“ Valerian ließ sich von Luciens Behauptung nicht beeindrucken, und Philippa hätte gelacht, wenn die Lage nicht so ernst wäre.
Einer der Soldaten trat vor. „Ich bedauere die Unannehmlichkeiten, Mylord. Sie werden mit uns kommen und sich vor Gericht erklären müssen.“ Er hielt ihm Handschellen entgegen. „Bitte, leisten Sie keinen Widerstand.“
„Wo bringst du ihn hin?“ Philippa stellte sich zwischen Valerian und Lucien, Angst breitete sich in ihr aus.
„Nach London. Dort werden alle Verräter abgeurteilt. Und gehängt“, bemerkte Lucien sarkastisch.
„Hör sofort damit auf, Lucien! Du bist zu weit gegangen, und du hast keine Beweise, nur Vermutungen“, versuchte Philippa zu argumentieren. Sie konnte es nicht fassen, dass Lucien so etwas tun würde. Der wundervolle, sonnige Morgen hatte sich in einen Alptraum verwandelt.
Zum ersten Mal seit seinem Erscheinen auf der Terrasse schien Lucien sie wirklich wahrzunehmen. Philippa wich seinem durchdringenden Blick nicht aus. Sie war sich nicht sicher, was er in Bezug auf sie vorhatte. Vielleicht war er wütend auf sie in seiner Eifersucht. Vielleicht wollte er den unglückseligen Brief zur Sprache bringen, den er ihr geschickt hatte, um sie zu alarmieren. Aber dann tat Lucien etwas viel Schlimmeres als sie erwartet hatte.
„Gentlemen, wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen? Ich würde mich gern unter vier Augen mit der Duchess unterhalten“, bat er höflich und korrekt. „Vielleicht könnten wir ins Haus gehen?“, schlug er vor, als sie zögerte.
Valerian sah aus, als wollte er Lucien am liebsten in Stücke reißen. „Wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, bringe ich Sie um!“ Valerians Augen funkelten vor Wut, als Lucien Philippa seinen Arm bot.
„Nur weiter so, St. Just“, fauchte Lucien und fuhr dann mit lauterer Stimme fort: „Haben Sie das gehört, Gentlemen? Der Viscount bedroht mich!“
Im Inneren des Hauses sah Lucien Philippa mit unergründlicher Miene an. „Philippa, es tut mir leid, dass du das miterleben musst. Ich hätte dir das alles gern erspart. Und ich habe versucht,
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