Zärtlicher Sturm
Gesicht mit dem verkniffenen Mund erstaunte ihn nicht. Sie servierte ihm das Frühstück schweigend und hielt auch dann noch ihre Augen abgewandt, als sie sich neben ihn gesetzt hatte. Während der gesamten Mahlzeit blieb sie eisern stumm.
Lucas war teils belustigt, teils besorgt. Lag es nur an seinen amourösen Annäherungen? Oder hatte sie ihn gehört, als er sich letzte Nacht nach seiner Rückkehr aus der Stadt in ihr Zimmer geschlichen hatte? Er hätte schwören können, daß sie fest geschlafen hatte. Er hatte nur nachsehen wollen, ob alles in Ordnung war. Nein, nicht nur das. Er hatte sich auch vergewissern wollen, daß sie nicht in Panik geraten und davongelaufen war. Und es war auch nicht so, daß er irgend etwas gesehen hätte, was er nicht hätte sehen dürfen. Sie hatte sich die Decke bis zum Hals hinaufgezogen. Sie hatte noch nicht einmal ihren Knoten zum Schlafen gelöst, und daher war selbst seine Neugier, wie lang ihr Haar wohl sein mochte, nicht befriedigt worden.
Sharisse ließ sich Zeit mit dem Abspülen, weil sie hoffte, Lucas würde das Haus verlassen, ehe sie damit fertig war. Das, was sie ihm zu sagen hatte, erforderte Nerven, die sie im Moment nicht hatte. Wenn er nur etwas gesagt hätte, ihr einen Anknüpfungspunkt gegeben hätte. Aber er hatte am Tisch gesessen und ebenso beharrlich geschwiegen wie sie.
Irgend etwas mußte schließlich gesagt werden. Sie hatte nicht vor, es auf eine Wiederholung des empörenden Verhaltens der vergangenen Nacht ankommen zu lassen. Dieser Gedanke gab ihr den nötigen Mut.
»Wir müssen miteinander reden, Lucas.«
»Über gestern abend?«
»Ja.«
Sie setzte sich wieder, doch ehe sie etwas sagen konnte, griff er über den Tisch und nahm ihre Hand in seine.
»Darf ich mich vorher noch einmal entschuldigen?«
Die Berührung brachte Sharisse aus der Fassung, und das heisere Timbre seiner Stimme trug seinen Teil dazu bei. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, und daher starrte sie auf die Hand, die ihre Hand sanft drückte. Verblüfft nahm sie die geschwollenen, aufgeschabten Knöchel wahr.
»Du hast dich verletzt.« Ihre Lider hoben sich, und sie sah ihm ins Gesicht. Seine linke Backe war geschwollen.
»Es ist nichts weiter«, erwiderte Lucas mit einer gewissen Verlegenheit. »Ich hatte nur ein kleines Handgemenge mit dem Vorarbeiter von Newcombs Ranch.«
»Hier? Oder auf seiner Ranch?«
»In der Stadt.«
»Oh. Ich habe gar nicht gemerkt, daß du die Ranch verlassen hast.« Sie wurde neugierig. »Wer hat gewonnen?«
»Keiner von uns beiden.« Lucas grinste sie schüchtern an. »Ich fürchte, ich habe mich nicht besonders angestrengt.«
»Und warum nicht?« Schnell räumte sie ein: »Ich meine, wenn du zu einer Schlägerei gezwungen warst, dann sollte man doch meinen, daß du versucht hast zu gewinnen. Oder zumindest zu verhindern, daß du verletzt wirst.«
»Ich wollte diesen Mann nicht verletzen, Sharisse. Und außerdem bin ich auch nicht verletzt. Das ist nichts weiter. Aber deine Anteilnahme freut mich.«
Sein Grinsen war plötzlich zu frech. Er wirkte nahezu eingebildet. Sie wandte sich ab und war wütend, weil er ihre Neugier nicht als das ausgelegt hatte, was sie war.
»Wegen gestern abend, Lucas …«
»Ich weiß«, sagte er. »Du bist mir böse. Das kann ich dir nicht vorwerfen.«
»Es ist mehr als nur das«, sagte sie voller Unbehagen, denn sie erinnerte sich nicht nur an seine Kühnheit, sondern auch an das, was sie für ihn empfunden hatte. »Was du getan hast, war …«
» … unverzeihlich, ich weiß«, sagte er.
Sharisse funkelte ihn böse an. »Würdest du mich das sagen lassen? Ja, es war unverzeihlich«, fuhr sie fort. »Du hattest kein Recht, mich derart glühend mit deinen Annäherungsversuchen zu bedrängen, und du hattest auch kein Recht, wütend zu werden, als ich mich dir widersetzt habe. Zu allem Überfluß hast du auch noch versucht, mir Schuldgefühle einzuflößen, obwohl ich wahrhaftig nichts getan habe, um dich zu ermutigen.«
»Ich glaube, du vergißt etwas«, sagte er ruhig.
Sie beäugte ihn wachsam. »Was denn?«
»Du bist hierher gekommen, um mich zu heiraten. Die meisten Bräute, die auf Anzeigen antworten, heiraten am Tag ihrer Ankunft, und jetzt verstehe ich, warum. Der einzige Grund, aus dem es bei dir anders ist, ist der, daß ich uns Zeit zugestehe, damit wir einander erst kennenlernen können.«
»Du hast gesagt, es sei, weil du sehen wolltest, ob ich mich hier einfügen kann«, erinnerte sie ihn
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