Zärtlicher Sturm
glaubst mir doch, oder?«
»Ich weiß es nicht«, gestand sie offen ein.
»Dann komm jetzt her, und ich beweise es dir«, sagte er.
»Was?«
»Komm schon her. Um Himmels willen, ich tue dir nichts.«
Sie kam langsam auf ihn zu. Er konnte nur hoffen, daß es nicht allzu lange dauern würde, bis sie ihm vertraute.
Als sie am Tisch stand, erhob er sich und zog sie in seine Arme, wobei er ihre verblüfften Einwände ignorierte. Er küßte sie inbrünstig und ausdauernd, und er hörte nicht auf, ehe er spürte, daß ihr Widerstand nachließ. Dann ließ er sie los.
»Siehst du?« sagte Lucas. »Es fällt mir zwar nicht leicht, dich wieder loszulassen, aber ich tue es trotzdem.«
Und dann ließ er sie stehen. Sharisse hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, als sie ihm nachblickte, denn er hatte diese Gefühle wieder in ihr auflodern lassen, und sie hatte gar nicht gewollt, daß das aufhörte.
11
Die Essenseinladung auf Samuel Newcombs Ranch an diesem Abend brachte Sharisse in Aufruhr. Die Einladung wurde am Spätnachmittag überbracht, und sie wollte sie ablehnen. Es war ganz unerhört, eine Einladung anzunehmen, die einem nur wenige Stunden Zeit ließ, sich zurechtzumachen. Doch Lucas hatte für sie beide zugesagt und ihr erst Bescheid gegeben, als der Bote, der die Einladung überbracht hatte, schon gegangen war.
Und was hätte sie einwenden können? Samuel Newcomb war der reichste Mann in dieser Gegend. Sie hatte seinen Namen in ganz Newcomb gelesen, auf der Fleischerei, dem Kolonialwarenladen, dem Sattlergeschäft, der Bank und sogar auf dem Zeitungsgebäude. Wenn sie eine Zeitlang hierblieb, dann konnte es wahrhaftig nicht schaden, den Gründer dieser Stadt kennenzulernen. Vielleicht konnte er ihr helfen, wenn ihre Lage sich verschlechterte.
Es war ein entsetzlicher Schlag für sie gewesen, als sie feststellen mußte, daß Lucas es sich nicht leisten konnte, sie nach Hause zu schicken. Somit saß sie nicht nur hier fest, sondern dieser Umstand häufte zusätzliche Schuldgefühle auf. Der Mann hatte sein gesamtes Geld ausgegeben, um eine Ehefrau zu bekommen, und sie hatte von Anfang an nie die Absicht gehabt, ihn zu heiraten. Wenn Stephanie ihr kein Geld schickte, würde sie Lucas bitten müssen, ihr sobald wie möglich das Geld für die Rückreise zu geben, und das würde bedeuten, daß er um so länger warten mußte, ehe er sich eine andere Braut besorgen und sich deren Reisekosten leisten konnte. Wie abscheulich, ihn auf diese Weise auszunutzen!
Sie fing an, sich zu fragen, ob ihr Opfer wirklich die Sache wert gewesen war.
Ein erfreulicher Aspekt an dieser Essenseinladung war der, daß sie nicht zu kochen brauchte. Lucas war nicht allzu begeistert von der Vorstellung, die Newcombs zu besuchen, doch er hatte sich am Abend zuvor mit einem Angestellten der Newcomb-Ranch gestritten, und wahrscheinlich war ihm deshalb unwohl zumute.
Sharisse wurde nicht rechtzeitig fertig. Sie mußte alles selbst machen, sogar ihr Badewasser selbst anwärmen. Doch als sie fertig war, war sie mit dem Ergebnis zufrieden. Ihr Abendkleid war faltenlos, und sie hatte eine von Jennys einfacheren Frisuren imitiert und die Frisur mit einem Blumensträußchen aus kleinen weißen Rosen gekrönt. Sie trug eins ihrer Lieblingskleider; Damast und Seidenköper waren hier in einer Kombination aus Blau und Elfenbein gemeinsam verarbeitet. Das Kleid hatte einen tiefen, runden Ausschnitt und kurze Ärmel. Ihre langen elfenbeinfarbenen Handschuhe wirkten ohne Armbänder nackt, und ein schlichtes Samtband um den Hals mußte als Schmuck ausreichen; doch sie hatte das Gefühl, das Ensemble sei erst mit einer elfenbeinfarbenen Pelerine, die mit Nerz eingefaßt war, komplett.
Sie schloß gerade die kleine Schnalle dieses kurzen Umhangs, als Lucas anklopfte. Sie öffnete die Tür und wartete gespannt darauf, daß er etwas sagen würde. Seine Augen glitten über sie. Er war frischrasiert und trug ein Jackett. Es war aus Hirschleder und hatte Fransen, und es war wohl kaum als Abendanzug zu bezeichnen, aber es war sauber. Sein weißes Hemd war aus Seide. Er trug eine graue Hose, die er in polierte schwarze Stiefel gesteckt hatte. Und er hatte seinen Pistolengürtel abgelegt.
»Nun?« brach sie das Schweigen.
»Fiona wird grün vor Neid«, sagte er.
Sharisse sah ihn finster an. »Erzähl mir jetzt bitte nicht, ich sei zu gut angezogen. Das ist wirklich nichts weiter als ein schlichtes Abendkleid. Normalerweise habe ich es nur zu Hause
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