Zärtlicher Sturm
getragen.«
»Nicht mal gut genug zum Ausgehen, was?«
»Lucas!«
»Du bist wunderschön, mein Schatz. Und für eine Zusammenkunft bei Newcombs- nein, dafür bist du nicht zu elegant gekleidet. Je schicker, desto besser, wenn es nach Sam geht.«
»Wer ist Fiona?« fragte sie, als er sie zu der Kutsche führte, die Sam geschickt hatte.
»Sams Frau. Seine Braut, sollte ich vielleicht besser sagen. Sie sind noch kein ganzes Jahr miteinander verheiratet.«
»Gibt es irgendwelche Dinge, die ich über diese Leute wissen sollte, ehe wir dort ankommen?«
»Nur, daß Sam einen Blick für hübsche Mädchen hat und daß du dich daher hüten mußt.«
»Aber er ist doch verheiratet«, sagte sie entrüstet.
»Na und?«
Diese plumpe Antwort rief ihre eigenen Erfahrungen mit einem verheirateten Mann in Erinnerung, und sie verstummte, als der mexikanische Kutscher mit ihnen die Ranch verließ. Ihre Erinnerungen bestürmten sie, und keine dieser Erinnerungen war erfreulich.
Sie hatte Antoine Gautier auf einer Party kennengelernt, die sie und ihre Tante eine Woche nach ihrer Ankunft in Frankreich besucht hatten. Antoine war so schick, so gutaussehend, so einnehmend und von einem so gewinnenden Wesen. Er war der erste Mann, der sie wirklich beeindruckt hatte. Sie glaubte, sich verliebt zu haben. Später gestand er ihr, daß auch er sich verliebt hatte. Sie war kaum achtzehn Jahre alt, und Antoine war ein Mann von Welt.
Die Liebe fördert das logische Denken nicht. Sie hätte merken sollen, daß etwas nicht stimmte, wenn ein Mann niemals versuchte, ihre Lippen zu küssen, und immer nur ihre Hände küßte. Das Tempo dieses Werbens hätte ihr Rätsel aufgeben sollen. Aber sie war so dumm gewesen zu glauben, daß er sie liebte. Bei einer der Partys hatte sie zugelassen, daß er sie in ein leeres Schlafzimmer hineinmanövrierte.
Antoine hatte ihr oft genug gesagt, daß er sie begehrte, und sie war nur allzu willig gewesen, sich von ihm nehmen zu lassen. Er hatte sie nie gebeten, seine Frau zu werden; aber es lag natürlich auf der Hand, daß er sie heiraten würde. Die Ehe gehörte dazu, wenn man sich von einem Mann lieben ließ. Natürlich würde er sie heiraten – daran bestand kein Zweifel.
Später wurde ihr klar, daß er sich darauf verlassen hatte, daß sie stillschweigend davon ausging.
Sie zog sich an jenem Abend furchtsam aus, während er auf dem Bett saß und sie drängte, sich zu beeilen. Als sie sich zu ihm legte, hatte er nichts weiter als seine Hose ausgezogen, aber sie ging nicht näher auf diesen Umstand ein.
Es kam zu keinen zärtlichen Liebkosungen, und er sagte ihr auch keine netten Worte mehr. Antoine packte sie, zerrte sie unter sich und wollte ihr ohne die leiseste Verzögerung ihre Jungfräulichkeit nehmen. Gott sei Dank war in genau diesem Augenblick die Tür aufgerissen worden, und eine Frau hatte das Zimmer betreten.
Antoine war wütend. »Zwei Minuten, Marie! Konntest du denn keine zwei Minuten warten?«
»Aber ich dachte doch, du seist inzwischen fertig, mon cher«, hatte die hübsche Brünette freundlich erwidert. »Wie lange brauchst du denn noch, um deine Wette zu gewinnen?«
Eine Wette! Ihre gesamten Illusionen begründeten sich auf einer Wette. Wie gern sie geweint und so getan hätte, als seien sie alle drei nicht in diesem Zimmer und als läge sie nicht nackt dort. Doch sie weinte nicht. Es gelang ihr sogar, den Raum mit einem gewissen Maß an Würde zu verlassen.
Später hatte sie dann erfahren, daß die Brünette seine Ehefrau war. Nach allem, was passiert war, spielte das auch fast keine Rolle mehr. Sie hatte ihre Lektion gelernt: Männern durfte man nicht trauen.
Lucas war genauso schlecht aufgelegt. Das war immer so, wenn er gezwungen war, Samuel Newcombs Gesellschaft zu ertragen. Dennoch mußte er sich dem aussetzen. Schließlich war er nur deshalb hier. Doch er haßte diese Heuchelei, haßte es, sich freundlich zu geben, wenn er in Wirklichkeit nichts anderes wollte, als diesen Menschen umzubringen. Doch Sam war nach wie vor durch sein Testament abgesichert, und die Belohnung, die er für die Ergreifung seines Mörders ausgesetzt hatte, war im Lauf der Jahre heraufgesetzt worden.
Lucas wußte, daß diese Einladung nur auf Sams Neugier zurückzuführen war. Sam wollte Sharisse kennenlernen. Ihm konnte das nur recht sein, denn Lucas bekam somit Gelegenheit, den entscheidenden Teil seines Planes anzukurbeln. Er mußte nur sehen, daß er Sam allein erwischte, um, ihm die
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