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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Schauer
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war verwirrt, ja beinahe verrückt. Er drehte sich ständig um. Er hatte Angst, aber kein schlechtes Gewissen. Er fragte sich, warum er es nicht bereute. Wie konnte er nur so kalt sein? Doch er war froh, dass er es getan hatte. Das Einzige das ihn belastete war, dass er sich verraten hatte. Auch wenn das Hotel keine Überwachungskamera hatte, die Dame würde ihn wiedererkennen, das war ganz klar. Er traute sich nicht die Nachrichten zu hören. Er wollte nicht wissen, ob es schon in der Zeitung stand. Morgen würde es wahrscheinlich groß in der Bild-Zeitung stehen. Er musste irgendwo seine Mails checken, musste wieder Kontakt zum Entführer bekommen. Er schlenderte in der Nähe des Hauptbahnhofes herum. Er brauchte dringend WLAN. Im Bahnhof würde es allerdings vor Polizisten wimmeln, wie in jedem anderen Bahnhof der Welt auch. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Risiko einzugehen. Als er den riesigen Bahnhof betrat, war es sehr hell. Er hasste das Gefühl. Lieber war ihm die Dunkelheit, in der er sich verstecken konnte. Er fand ein Internetcafé und setzte sich ganz hinten in der Ecke an einen PC. Er rief seine E-Mails auf, löschte den Spam und stellte fest, dass ansonsten nur eine Mail von Max eingegangen war. Verflucht. Er verfasste eine Mail, die er an [email protected] sendete: Es ist erledigt. Wie geht es weiter. Melde dich. Wie komme ich zu meinem Sohn? Mehr schrieb er nicht.
    Er wartete noch fast zwei Stunden. Das Internetcafé hatte 24 Stunden geöffne t und er wollte so lange dort sitzen, bis er endlich eine Antwort bekam. Doch es kam nichts. Gegen fünf Uhr früh verließ er das Café. Er würde wiederkommen, doch er durfte nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen. Der junge Mann hinter dem Tresen musterte ihn schon seit Stunden. Wo sollte er schlafen? Sollte er wieder nach Hause fahren? Aber was dann? Nein, das kam nicht infrage. Er musste bleiben.
    Er mietete sich unter anderem Namen für zwei Tage in ein großes Hotel am Bahnhof ein, das musste reichen. Er hatte sich noch eine Mütze gekauft, die er nun trug. Als er in dem hübschen Zimmer saß, wurde ihm seine Lage schmerzlich bewusst: Er hatte einen Menschen getötet. Er würde nie wieder so leben können wie früher. Er brauchte eine Dusche und dann würde er ein paar Stunden schlafen. Das heiße Wasser verhalf ihm wieder zu neuen Lebensgeistern. Er fühlte sich besser, nicht mehr so schmutzig. Obwohl er es nicht wollte, schaltete er den Fernseher ein. Es sah die Nachrichten, doch nichts war von dem Mord zu hören. Danach versuchte er zu schlafen und wie durch ein Wunder schlief er tief und fest ein. Er träumte diese Nacht nichts.

Moldawien — März 2002
     
    Es wurde jeden Tag wärmer. Mila fühlte sich gut, denn sie hatte in der kleinen Anna eine Freundin gefunden. Sie durfte jetzt schon öfter mit Anna spielen. Thomas beobachtete sie aus der Ferne, doch Mila würde sowieso nicht zulassen, dass Anna etwas passierte. Niemals. Sie war so niedlich, so unschuldig. Nie war Mila so gewesen. Mila musste ihr Leben lang auf der Hut sein. Sie wusste nicht wie es war ohne Angst zu schlafen. Das war schon so, seit sie denken konnte. Anna brachte Freude in ihr Leben. Viel Freude sogar. Vielleicht sogar für immer.

Heute — Wolfgang, ein Jahr nach der Entführung
     
    Wolfgang schreckte plötzlich aus dem Schlaf hoch. Er hielt die Waffe in seiner Hand. Irgendetwas hatte ihn geweckt, doch es schien außerhalb des Zimmers zu sein. Er beruhigte sich wieder. Sein Atem wurde wieder gleichmäßig. Er hatte lange geschlafen, es dämmerte draußen bereits — es war wieder Abend geworden. Wieder schaltete er den Fernseher ein, doch immer noch war nichts von einem Mord zu sehen. Er hatte erwartet, dass ein Phantombild im Fernsehen gezeigt wurde, doch bisher war nichts geschehen. Er fuhr seinen Laptop hoch und rief seine Mails ab. Das Internet war im Zimmerpreis enthalten. Sein Herz pochte, als er den Absender sah: [email protected]. Schnell öffnete er die Mail: Gut gemacht. Das hätte ich nicht gedacht. Aber ich habe mich wohl geirrt. Nun geht es weiter. Du kommst deinem Sohn immer näher. Fahr nach Warschau, dort bekommst du eine neue Aufgabe.
    Wolfgang konnte es nicht fassen. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen — es war noch nicht vorbei. Was würde nun kommen? Was sollte er in Polen? Immer mehr kam ihm ein schlimmer Verdacht, doch wieder wollte er diesen Gedanken nicht zulassen. Er las die Mail wieder und wieder, doch es änderte sich nichts. Sollte er

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