Zahltag
Privatangestellte, Arbeitslose und
Hausfrauen beschränken. Ich frage mich, ob wir es mit einem armen Irren zu tun
haben. Doch die Tatsache, dass er es geschafft hat, Korassidis’ Daten zu
ermitteln, um seine Steuerschuld zu berechnen, deutet auf alles andere als auf
einen Verrückten hin.
Das wirft auch gleich die zweite Frage auf: Wahrscheinlich war es
für den Mörder nicht sehr schwierig, Korassidis’ Vermögenswerte zu schätzen.
Doch wie ist er an die Steuererklärung gekommen, die ihm verriet, wie viel
Einkommen er angegeben hatte? Folgende Personengruppen haben Zugang zu diesen
Daten: Steuerberater, Finanzbeamte, das Amt für Steuerfahndung und darüber
hinaus noch ein paar Funktionäre aus dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen.
Folglich müssen wir dort mit unserer Suche beginnen.
»Wo haben Sie das her?«, frage ich Koula.
»Aus einem sozialen Netzwerk im Internet. Erst habe ich aufs
Geratewohl herumgestöbert, weil ich ja nicht [84] genau wusste, wo und wonach ich
suchen sollte. Die erste intensivere Recherche hat nichts ergeben. Aber beim
Durchforsten unzähliger Blogbeiträge bin ich fündig geworden.«
»Wir müssen den Blogger ausfindig machen.«
»Das übersteigt meine Möglichkeiten, Herr Charitos. Das ist Sache
der Abteilung für Computerkriminalität. Obwohl die womöglich auch nichts finden
werden…«
»Wieso nicht?«
»Weil in neun von zehn Fällen die Nutzer sozialer Netzwerke ihre
wahre Identität nicht preisgeben. Außerdem gibt es Programme, mit denen man die IP -Adresse verschleiern kann. Wir können den Blog
zwar sperren, aber kaum herausfinden, wer ihn ins Netz gestellt hat.«
Es wäre äußerst unklug, dem Täter den Zugang zum Internet zu
blockieren, da uns durchaus nützlich sein kann, was er sonst noch ins Netz
stellt.
»Bringen Sie mir doch bitte einen Ausdruck rüber.«
Von meinem Büro aus rufe ich Dimitriou von der Spurensicherung an.
»Haben Sie irgendetwas Interessantes?«
»Nichts Weltbewegendes, nur zahllose Fingerabdrücke.«
»Dann reichen Sie am besten Korassidis’ PC an die Abteilung für Computerkriminalität weiter.«
»Gibt’s bei Ihnen etwas Neues?«, fragt er nach einer kleinen Pause.
»Ja, ein im Internet veröffentlichtes Mahnschreiben, das sich an
Korassidis richtet. Ich würde gerne wissen, ob das Opfer das Schreiben auch
persönlich erhalten hat oder ob es der Mörder nur ins Netz gestellt hat.«
Nachdem mir Koula den Text überbracht hat, rufe ich [85] umgehend
Gikas auf seinem Handy an, um seine Sekretärin Stella zu umschiffen. »Ich muss
Sie sofort sprechen. Es ist dringend.«
Nach einer Kunstpause fragt er: »Gute oder schlechte Neuigkeiten?«
»Gute, weil wir einen Schritt vorangekommen sind. Schlechte, weil
die Sache komplizierter wird.«
Ohne weiteren Kommentar bestellt er mich in sein Büro hoch. Als ich
gerade zum Fahrstuhl stürmen will, kommt mir ein Gedanke: Wer kannte denn
Korassidis’ Vermögenswerte sowie auch dessen Steuererklärung am besten? Doch
der Steuerberater. Und Korassidis’ Mörder war ein falscher Pharmavertreter.
Wäre es denkbar, dass der Steuerberater, als Medikamentenvertreter verkleidet,
Korassidis umgebracht hat? Möglich schon, aber nur, wenn ihn Korassidis’
Sekretärin nie zuvor gesehen hat.
»Frag doch mal bei der Lefkaditi telefonisch nach, ob sie
Korassidis’ Steuerberater persönlich gekannt hat«, sage ich zu Dermitsakis,
bevor ich zu Gikas hochfahre.
Offenbar steht der Kriminaldirektor unter großer Anspannung, denn er
verzichtet auf das Naturschauspiel auf seinem Computerbildschirm und erwartet
mich im Stehen. Als ich ihm das Schreiben überreiche, liest er es zweimal
durch, genau einmal weniger als ich.
»Wie hoch, schätzen Sie, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um
einen dummen Scherz handelt?«, fragt er mich.
»Maximal zwanzig Prozent.«
»Wieso so wenig?«
»Zum einen, weil die Daten übereinstimmen. Das Schreiben stammt vom
10. Mai. Er setzt eine fünftägige [86] Zahlungsfrist, und innerhalb einer Woche
ist Korassidis tot. Zum anderen, weil mühsame Recherchen dahinterstecken, wenn
sich die Angaben zu Korassidis’ Steuerdaten bewahrheiten. Keiner nimmt aus Jux
und Tollerei so viel Arbeit auf sich.«
»Das klingt plausibel. Dann erläutern Sie mir noch die Vor- und
Nachteile der neuen Erkenntnisse.«
»Das Gute daran ist, dass unsere Nachforschungen langsam Konturen
annehmen. Das Schlechte daran ist, dass es jetzt erst richtig vertrackt wird.
Die Angaben aus
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