Zarter Mond - Hawthorne, R: Zarter Mond - Dark Guardian - 03 Dark of the Moon
ob er mich überhaupt mochte.«
» Wer könnte dich nicht mögen?«, fragte er und zog sie an sich. Es war offensichtlich, dass er ganz verrückt nach ihr war. Nur meine Anwesenheit hielt die beiden von einer wilden Knutschorgie ab. Es war Zeit, mich zurückzuziehen.
»Ich will keine Spaßbremse sein, aber ich bin müde und schmutzig«, erklärte ich. »Ich geh jetzt duschen und dann ins Bett. Treibt’s nicht zu wild in der Zwischenzeit.«
Lucas grinste wölfisch. Er war immer so grüblerisch und finster gewesen, dass ich mich an sein fröhliches, fast verspieltes Verhalten erst gewöhnen musste. Trotz all unserer Sorgen konnte Kayla ihn zum Lächeln bringen.
»Ich bleib so lange wach, bis du wiederkommst«, sagte sie. »Dann können wir noch ein bisschen quatschen.«
»Nicht nötig.«
Sie warf mir einen seltsamen Blick zu. Ich war normalerweise nicht so abweisend, aber ich war auch kein Kumpeltyp.
»Ich bin einfach nur müde«, erklärte ich. Obwohl sie
nichts darauf erwiderte, sah ich die Frage in ihren Augen.
Bevor ich weitere Entschuldigungen vorbringen konnte, die Argwohn erweckten, ging ich ins Bad, zog die Tür hinter mir zu und starrte auf mein Spiegelbild. Ich sah so aus wie immer. Obwohl ich das nicht anders erwartet hatte, war ich enttäuscht.
Aber bislang hatte ich die Begutachtung dreier Gestaltwandler überstanden. Wenn ich diejenigen täuschen konnte, mit denen ich Tag für Tag arbeitete, konnte ich jeden täuschen. Vielleicht sogar mich selbst.
Am nächsten Morgen, als Lindsey und Kayla aufstanden, zog ich mir das Kissen über den Kopf und murmelte vor mich hin, dass ich noch schlafen wollte, damit sie ohne mich verschwanden. Ich hatte keine Lust auf weitere prüfende Blicke und Fragen.
Als ich zum Frühstück nach unten ging, war der Speisesaal nur schwach besetzt. Er bot all den Familien Platz, die zu unserem jährlichen Treffen hier zusammenkamen. Zurzeit hielten sich nur die Dunklen Wächter und ein paar Wächter in der Ausbildung in Wolford auf.
Ich sah Lucas und Kayla allein an einem Tisch sitzen. Sie lächelte mich an und deutete auf den leeren Stuhl neben ihr. Ich schüttelte den Kopf. Lindsey und Rafe saßen ebenfalls allein an einem Tisch, aber sie hatten nur Augen füreinander und achteten nicht auf andere. Neu entdeckte Liebe. Sie hatten eine Menge verlorene Zeit nachzuholen. Ein paar weitere Dunkle Wächter – jene, die ihren ersten Vollmond schon hinter sich hatten und Novizen, die ihre
magische Nacht kaum erwarten konnten – saßen im Raum verstreut. Sie lächelten mich an und hielten die Daumen hoch. Ich hatte überlebt. Ich hatte es geschafft. Ein Hoch auf mich!
Ich ging zum Frühstücksbuffet und lud Rührei, Speck und Toast auf meinen Teller. Dann steuerte ich einen freien Tisch an, denn ich hatte keine Lust auf Fragen über den Verlauf meiner ersten Transformation.
Leider hatte ich keine Rundmail mit der Bitte, sich von mir fernzuhalten, verschickt.
Es dauerte nicht lange, bis drei der Neuen sich um meinen Tisch versammelt hatten. Mia und Jocelyn waren sechzehn, Samuel siebzehn. Jungen erlebten ihre erste Transformation erst mit achtzehn.
»Du hast es geschafft!«, sagte Mia und hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere. Ihr blondes, fedrig geschnittenes Haar betonte ihre elfenhaften Gesichtszüge. Sie war das einzige Gestaltwandler-Mädchen, das keine langen Haare hatte. »Weißt du, was das für uns bedeutet? Wir müssen vor unserer ersten Transformation keinen Gefährten wählen. Dein Mut hat allen Mädchen Freiheit geschenkt!«
Mein Mut? Wollte sie mich auf den Arm nehmen? Ich war nicht allein gewesen, weil ich es wollte . Ich war allein, weil der einzige Junge, für den ich mich interessierte, sich zu diesem Zeitpunkt für eine andere interessiert hatte.
»Wie schlimm war es wirklich?«, fragte Jocelyn zögernd. Sie wusste, dass Gestaltwandler mit Leuten, denen sie nicht nahestanden, für gewöhnlich nicht über ihre erste Transformation sprachen. Es hatte etwas Mystisches.
Jocelyns rotbraunes Haar erinnerte mich an Herbstlaub.
Sie und Samuel hielten sich an den Händen. Er hatte sie zur Sommersonnenwende, bei der wir immer zusammenkommen und unsere Existenz feiern, zu seiner Gefährtin erklärt. Sie würde die Transformation nicht allein durchstehen müssen.
Ich schaute Mia an. Würde ich sie zum Tode verurteilen, wenn ich die Sache verharmloste? Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie schlimm es sein würde.
»Ich dachte, ich würde sterben. Ich
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