Zarter Mond - Hawthorne, R: Zarter Mond - Dark Guardian - 03 Dark of the Moon
zuhause sein. Ein Fenster stand offen, die Gardine flatterte. Ich fragte mich, ob Mom erwartete, dass ich mich auf dem Weg durch die Tür
verwandelte. Wir hatten uns immer gut verstanden, obwohl ich ihrer Meinung nach zu besessen davon war, ein Dunkler Wächter zu sein.
»Es gibt noch andere Dinge im Leben«, hatte sie oft zu mir gesagt.
Meine Standardantwort lautete: »Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?«
Die Tür flog nicht auf. Mom kam nicht nach draußen gerannt, um mich zu begrüßen. Es sah nicht so aus, als würde mir ein glorreicher Empfang bereitet.
Erst nachdem ich die Haustür hinter mir zugezogen hatte, kam Mom herbeigeeilt, um mich in die Arme zu schließen. »Oh, ist alles in Ordnung mit dir, mein Baby?«
Ich hasste es, wenn sie mich Baby nannte. Das klang so kindisch. Ich war schon lange kein Baby mehr. Normalerweise hätte ich mich aus ihrer Umarmung befreit, aber in diesem Augenblick tat es mir gut, im Arm gehalten zu werden. Wieder kämpfte ich gegen die Tränen. Gott, diese Gefühle waren wirklich lästig.
Schließlich schob Mom mich zurück, jedoch ohne meine Schultern loszulassen, fast so als ob sie mich am liebsten geschüttelt hätte. Ihre leuchtend grünen Augen blickten in meine. Ihr Haar hatte einen rötlichen Braunton, den ich zu gern geerbt hätte. Ich hatte noch nie ein Foto von meinem Dad gesehen, aber sie hatte mir gesagt, er sei ein dunkler Typ gewesen. Moms besorgter Blick wurde traurig. »Du hast dich nicht verwandelt.«
Woraufhin meine dummen Augen nichts Besseres zu tun hatten, als sich mit Tränen zu füllen. »Woher weißt du das?«, schluchzte ich.
Sie zog mich wieder an sich und wiegte mich hin und her. »O mein Baby, es tut mir so leid.«
In ihrer Stimme war Schuld zu hören. Ich befreite mich von ihr, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte sie mit finsterem Blick. Zumindest hatte meine Neugierde die Tränen versiegen lassen. »Was tut dir leid? Was hast du getan, Mom?«
»Setz dich«, sagte sie.
»Ich brauche mich nicht zu setzen. Erzähl es mir einfach. «
Mom nickte, aber sie mied meinen Blick. »In dem Sommer, als ich siebzehn wurde, fuhr ich nach Europa. Ich hab dort jemanden kennengelernt … in Frankreich. Antonio. Ich habe mich in ihn verliebt.«
Das musste der europäische Gestaltwandler sein, den die Ältesten erwähnt hatten. »Mein Dad, nicht wahr?«
Endlich sah sie mir in die Augen. »Ja. Ich habe dir immer erzählt, dass er bei meiner ersten Transformation an meiner Seite war – aber das war er nicht.«
»Also hast du’s allein durchgestanden und überlebt?«
»Nein, ich hatte einen Freund. Michael. Er hat mir beigestanden, aber wir wussten beide, dass wir nicht füreinander bestimmt waren. Und ich hatte ja deinen Vater getroffen …«
»Und der wollte dir nicht zur Seite stehen. Was war das denn für ein Loser? Warum hast du ihn überhaupt geliebt? Und was hat das mit …«
»Er war ein … Mensch.«
Ich glaube, es hätte mich nicht mehr erschüttern können, wenn eine Atombombe in unserem Wohnzimmer explodiert
wäre. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, und ich merkte, dass ich die Luft anhielt. Ich war mir nicht sicher, ob ich wieder anfangen wollte, zu atmen. Aber mein Körper, der mich während des letzten Vollmonds verraten hatte, verriet mich von Neuem und ließ mich nach Luft schnappen.
»Und du hast … du hast nicht …« Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, konnte kaum sprechen. »Dir ist nicht in den Sinn gekommen … mir das früher zu sagen? «
»Ich hatte gehofft, dass du es nie erfahren müsstest, dass du meine Gene geerbt hättest, dass du dich verwandeln würdest. Vor allem, weil du, als du älter wurdest, immer davon geträumt hast, ein Dunkler Wächter zu werden. Ich wollte dir diesen Traum nicht nehmen.« Sie streckte die Hand nach mir aus. »Baby, ich …«
»Nenn mich nicht so!«, schrie ich und stieß ihre Hand weg. Dann begann ich, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich bin kein Baby. Ich bin endlich ein Dunkler Wächter geworden … Aber ich kann nicht die Gestalt wechseln. All die Mühe, die ich da reingesteckt habe, all die Vorbereitung …«
»Ich weiß. Ich weiß, wie sehr du es dir gewünscht hast. Ich hatte gehofft, Antonio während meiner Reise zu finden. Für den Fall, dass du ihn brauchst.«
Ich wirbelte herum und funkelte sie zornig an. »Warum sollte ich ihn jetzt brauchen?«
»Ich dachte, du bräuchtest vielleicht einen Ort, wo du hinkönntest. Als deine Zeit näher
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