Zauber der Begierde
glaubhaft als die Möglichkeit einer Reise durch die Zeit.
Einfach gesagt, Althea Comyn war viel zu sehr kühle Realistin, um irgendeinem
Unsinn zu frönen.
Nachdem sie ihre
Schlüsse gezogen hatte, lächelte Lydia sanft zu Adrienne, die schweigend und
voller Spannung wartete. »Hawk erzählte mir, was Lady Comyn gesagt hat,
Adrienne. Daß du nicht ihre Tochter bist. Daß du aus dem Nichts erschienen
bist. Tatsächlich habe ich deinen Akzent aufwallen und abebben hören wie eine
stürmische, unvor- hersagbare Flut.«
Adrienne fühlte sich
kurzzeitig etwas gekränkt. »Wirklich?«
Lydia lächelte. »Als du
krank warst, verschwand dein Akzent völlig, mein Liebes.«
Adrienne blinzelte.
»Warum hat mich nie jemand darauf angesprochen?«
»Vielleicht ist es dir
entgangen, aber es war hier nicht besonders ruhig, seit du nach Dalkeith
gekommen bist. Nicht ein Tag ist vergangen, der nicht irgendwelche Überraschungen
gebracht hätte. Mordversuche, unwillkommene Besucher, ganz zu schweigen von
Hawk, der sich wie ein liebestoller Jüngling aufführt. Außerdem hoffte ich, du
würdest dich mir eines Tages aus freien Stücken anvertrauen. Jetzt haben mir
die Wachen erzählt, daß sie mit eigenen Augen gesehen haben, wie du mehrere
Male verschwunden und wiederaufgetaucht bist.« Lydia rieb ihre Handflächen mit
entrücktem Blick an dem Rock ihres Kleides. »Aus der Zukunft«, murmelte sie
leise. »Mein Sohn glaubte, es handele sich um ein schreckliches Erlebnis, was
dich dazu gebracht hat, solchen Wahnsinn zu glauben, und dennoch...«
»Und dennoch was?«
drängte Adrienne.
Lydia blickte Adrienne
tief in die klaren, offenen Augen. Sie sahen sich einen langen, forschenden
Augenblick an.
Schließlich sagte Lydia:
»Nein, nicht die Spur von Wahnsinn in diesem Blick.«
»Ich komme aus einer
anderen Zeit, Lydia. Ich bin nicht verrückt.«
»Ich glaube dir,
Adrienne«, sagte Lydia einfach.
»Wirklich?« Adrienne
kreischte förmlich. »Wieso?«
»Ist das wirklich
wichtig? Es sollte genügen zu sagen, daß ich dir glaube. Und wenn hier
irgendwann einmal alles wieder normal ist, sollte es jemals dazu kommen,
möchte ich, daß du mir davon erzählst. Von deiner Zeit. Ich habe viele Fragen,
aber sie werden warten. Zur Zeit gibt es wichtigere Dinge, für die wir einen
klaren Kopf behalten müssen.« Lydia runzelte nachdenklich die Stirn. »Wie bist
du hierhergekommen, Adrienne?«
»Ich weiß es nicht.«
Adrienne zuckte hilflos mit den Schultern. »Wirklich, ich habe keine Ahnung.«
»Der Hawk glaubte, es
wäre die schwarze Dame. Lady Comyn sagte, sie sei verhext.«
»Das dachte ich auch.«
»Die schwarze Dame war
es also nicht... hmm. Adrienne, wir brauchen absolute Klarheit. Was genau hast
du in dem Augenblick getan, als es geschah?«
»Beim ersten Mal, als
ich auf Burg Comyn auftauchte, oder dieses Mal?«
»Dieses Mal«, sagte
Lydia. »Obwohl wir das erste Mal ebenfalls untersuchen sollten, um
Gemeinsamkeiten zu finden.«
»Nun ... ich spazierte
durch die Gärten und dachte an das zwanzigste Jahrhundert. Ich dachte daran,
wie sehr -«
»Du dahin
zurückwolltest«, beendete Lydia den Satz für sie, mit einer Spur von
Bitterkeit.
Adrienne war ebenso
überrascht wie gerührt. »Nein. Eigentlich dachte ich daran, wie schön es hier
ist. In den neunziger Jahren, mein Gott, Lydia. Die Menschen waren praktisch
außer Kontrolle! Kinder, die ihre Eltern töten. Eltern, die ihre Kinder töten.
Kinder, die Kinder töten. Alle haben sie Mobiltelefone an den Ohren, und
dennoch habe ich niemals eine solche Entfernung zwischen Menschen erlebt, die
so krampfhaft versuchen, sich nahe zu sein. Und genau an dem Tag, an dem ich
ging, hättest du die Schlagzeilen in den Zeitungen sehen sollen. Ein Junge
erwürgte ein kleines Mädchen, weil sie ihn nicht telefonieren lassen wollte.
Oh, ich dachte mit Bitterkeit an diese Zeit und verglich sie mit zu Hause, und
zu Hause hat eindeutig gewonnen. «
»Kannst du das noch mal
sagen?« bat Lydia leise.
»Was?« fragte Adrienne verblüfft. »Oh, Schlagzeilen,
Zeitungen, das sind -« Sie hob an zu erklären, aber Lydia unterbrach sie.
»Zu Hause.« Ein strahlendes Lächeln überzog Lydias
Gesicht. »Du hast dies hier zu Hause genannt.«
Adrienne blinzelte. »Hab ich?«
Die beiden Frauen sahen sich einen langen Augenblick
in die Augen.
»Beim Samhain, Lydia, gib ihr den Kaffee, will ich mal
sagen.« Tavis' rauhe Stimme kam von der Tür. »Auf so eine Weise hin und her
geschubst zu werden, das
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