Zauber der Schlange
Mandorallen, weiß vor Wut. »Es wird behauptet, einige unserer Edlen hätten sich gelegentlich bereichert, indem sie ihre Leibeigenen an die Nyissaner verkauften.«
»Sieht aus, als wäre es mehr als nur ein Gerücht«, meinte Barak.
»Eben«, grollte Mandorallen. »Seht Ihr den Federbusch auf der Tunika des einen? Es ist das Wappen von Vo Toral. Ich kenne den Baron von Vo Toral als notorischen Verschwender, doch hatte ich nie Veranlassung, ihn für unehrenhaft zu halten. Bei meiner Rückkehr nach Arendien werde ich ihn öffentlich bloßstellen.«
»Wofür soll das gut sein?« fragte Barak.
»Das zwingt ihn, mich herauszufordern«, antwortete Mandorallen grimmig. »Er wird seine Übeltaten mit seinem Leben bezahlen.«
Barak zuckte die Achseln. »Leibeigener oder Sklave – wo ist da der Unterschied?«
»Diese Männer haben Rechte, Graf«, erklärte Mandorallen. »Ihr Herr ist verpflichtet, sie zu beschützen und für sie zu sorgen. Der Eid der Ritterschaft verlangt das von jedem von uns. Dieser schändliche Handel hat die Ehre eines jeden aufrechten arendischen Ritters beschmutzt. Ich werde nicht eher ruhen, bis dieser abscheuliche Baron mit seinem elenden Leben dafür gebüßt hat.«
»Interessanter Vorschlag«, meinte Barak. »Vielleicht komme ich mit.«
Hettar kam herauf, und Barak stellte sich sofort neben ihn und begann leise auf ihn einzusprechen, wobei er einen Arm Hettars fest im Griff hielt.
»Laß sie ein bißchen herumspringen«, befahl einer der Murgos barsch. »Ich will sehen, wie viele lahm sind.«
Ein breitschultriger Nyissaner entrollte eine lange Peitsche und ließ sie geschickt um die Beine des Angeketteten sausen. Die Sklaven begannen fieberhaft auf dem Steg zu tanzen.
»Hundesöhne!« fluchte Mandorallen, und seine Knöchel wurden weiß, so fest umklammerte er die Reling.
»Ruhig«, warnte Garion. »Tante Pol sagt, wir sollen uns schön außer Sichtweite halten.«
»Das kann nicht geduldet werden!« rief Mandorallen.
Die Kette, welche die Sklaven miteinander verband, war alt und rostfleckig. Als ein Sklave stolperte und fiel, zersprang ein Glied. Der Mann fand sich plötzlich frei. Mit einer Flinkheit, die seiner Verzweiflung entsprang, rollte er sich auf die Füße, machte zwei rasche Schritte und sprang vom Steg in das trübe Wasser des Flusses.
»Hierher, Mann!« rief Mandorallen dem schwimmenden Sklaven zu.
Der untersetzte Nyissaner mit der Peitsche lachte rauh und zeigte auf den flüchtenden Sklaven. »Paßt auf!« sagte er zu den Murgos.
»Halt ihn auf, du Idiot«, fuhr ihn einer der Murgos an. »Ich habe gutes Gold für ihn bezahlt.«
»Zu spät.« Der Nyissaner blickte mit häßlichem Grinsen auf das Wasser. »Seht hin.«
Der schwimmende Mann schrie plötzlich auf und versank. Als er wieder an die Oberfläche kam, waren seine Arme und sein Gesicht mit den schleimigen, armlangen Egeln bedeckt, die den Fluß verseuchten. Schreiend riß der Mann an den sich windenden Egeln und zerrte dabei Fetzen auf seinem eigenen Fleisch in dem Bemühen, sich von ihnen zu befreien.
Die Murgos begannen zu lachen.
Garions Kopf explodierte. Er sammelte sich mit schrecklicher Konzentration, deutete mit einer Hand auf ihren eigenen Steg und sagte: »Sei dort!« Er fühlte eine enorme Woge, als strömte eine riesige Flut aus ihm heraus und sank fast bewußtlos gegen Mandorallen. Der Lärm in seinem Kopf war betäubend.
Der Sklave, zappelnd und immer noch mit den glitschigen Egeln behaftet, lag plötzlich auf dem Kai. Eine Welle der Erschöpfung überflutete Garion, und wenn Mandorallen ihn nicht aufgefangen hätte, wäre er gestürzt.
»Wo ist er hin?« fragte Barak, der immer noch auf das aufgewühlte Wasser starrte, wo der Sklave noch einen Augenblick vorher gewesen war. »Ist er untergegangen?«
Wortlos, mit zitternder Hand, zeigte Mandorallen auf den Sklaven, der – sich noch immer schwach wehrend – etwa zwanzig Meter vor ihrem eigenen Schiff auf dem drasnischen Kai lag.
Barak sah den Sklaven an, dann wieder den Fluß. Der große Mann blinzelte vor Erstaunen.
Ein kleines Boot mit vier Nyissanern an den Rudern stieß von dem anderen Steg ab und bewegte sich auf Greldiks Schiff zu. Ein großer Murgo mit zornigem Gesicht stand darin.
»Ihr habt mein Eigentum«, rief er zu ihnen herüber. »Gebt mir sofort den Sklaven zurück.«
»Warum kommst du nicht und holst ihn dir, Murgo?« rief Barak zurück. Er ließ Hettars Arm los. Der Algarier ging auf die Seite des Schiffs und blieb nur
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