Zauber der Schlange
Steg lag. »Ich mußte doch etwas tun.«
»Er war tot, sobald er im Wasser war«, sagte sie energisch. »Sieh ihn dir doch an.«
Der Sklave lag steif und durch Todesqualen verkrümmt auf dem Kai. Der Kopf war zurückgebogen, sein Mund stand offen. Er war offensichtlich tot. »Was ist mit ihm geschehen?« fragte Garion, von plötzlicher Übelkeit befallen.
»Die Egel sind giftig. Ihr Biß lähmt das Opfer, so daß sie ungestört saugen können. Der Biß bringt das Herz zum Stillstand. Du hast uns um eines Toten willen an die Grolims verraten.«
»Er war noch nicht tot, als ich es tat«, schrie Garion sie an. »Er rief um Hilfe.« Er war so wütend wie noch nie in seinem Leben.
»Man konnte ihm nicht mehr helfen.« Ihre Stimme war kalt, fast brutal.
»Was bist du für ein Ungeheuer?« fragte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Hast du denn überhaupt keine Gefühle? Du hättest ihn einfach sterben lassen, nicht wahr?«
»Ich glaube nicht, daß dies die rechte Zeit oder der rechte Ort ist, um darüber zu diskutieren.«
»O nein! Jetzt ist die Zeit, gerade jetzt, Tante Pol. Du bist nicht einmal mehr menschlich, weißt du das? Du hast das Menschsein schon so lange hinter dir gelassen, daß du dich nicht einmal daran erinnern kannst, wann du es verloren hast. Du bist viertausend Jahre alt. Unser ganzes Leben geht vorbei, während du einmal blinzelst. Wir sind nur zu deiner Unterhaltung da – eine Stunde der Ablenkung. Du lenkst uns wie Puppen zu deinem eigenen Vergnügen. Ich bin es satt, gelenkt zu werden. Wir sind fertig miteinander!«
Er war weiter gegangen, als er es beabsichtigt hatte, aber der Zorn war mit ihm durchgegangen. Die Worte schienen aus ihm herauszusprudeln, ehe er sie aufhalten konnte.
Sie sah ihn an, so blaß, als hätte er sie heftig geschlagen. Dann richtete sie sich auf. »Du dummer Junge«, sagte sie in einem Ton, der um so schlimmer klang, weil sie so ruhig war. »Fertig? Du und ich? Wie kannst du auch nur ansatzweise verstehen, was ich tun mußte, um dich in diese Welt zu bringen? Seit über tausend Jahren bist du meine einzige Sorge. Ich habe Schmerzen und Verluste ertragen, die deine Fähigkeit, überhaupt zu verstehen, was diese Worte bedeuten, übersteigen – alles für dich. Ich habe jahrhundertelang in Armut und Schmutz gelebt – alles für dich. Ich habe eine Schwester aufgegeben, die ich mehr liebte als das Leben selbst – alles für dich. Ich bin durchs Feuer gegangen und durch Verzweiflung, die zehnmal schlimmer war als Feuer – alles für dich. Und du glaubst, das alles wäre unterhaltend für mich gewesen – eine müßige Vergnügung? Glaubst du, diese Fürsorge, die ich dir über tausend Jahre gewidmet habe, kommt so einfach? Du und ich, wir werden nie miteinander fertig sein, Belgarion. Niemals! Wir werden zusammen weitergehen, bis ans Ende aller Tage, wenn nötig. Dafür schuldest du mir zuviel!«
Danach folgte eine schreckliche Stille. Die anderen, schockiert über die Heftigkeit von Tante Pols Worten, starrten zuerst sie und dann Garion an.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging wieder unter Deck.
Garion sah sich hilflos um. Er war plötzlich beschämt und fühlte sich sehr allein.
»Ich mußte es doch tun, nicht wahr?« fragte er niemand bestimmten und war sich nicht mehr ganz sicher, was er eigentlich damit meinte.
Alle sahen ihn an, aber niemand beantwortete seine Frage.
26
I m späten Nachmittag war es wieder bewölkt, der Donner grollte in der Ferne, während der Regen wieder einmal auf die dampfende Stadt hinunterprasselte. Das nachmittägliche Gewitter schien jeden Tag zur selben Zeit zu kommen, und sie hatten sich schon fast daran gewöhnt. Sie gingen dann unter Deck und saßen schwitzend dort, während der Regen über ihnen auf das Deck trommelte.
Garion saß steif da, den Rücken gegen einen roh behauenen Eichenbalken gelehnt, und beobachtete Tante Pol mit unbewegtem Gesicht und unversöhnlichem Blick.
Sie beachtete ihn nicht und unterhielt sich leise mit Ce’Nedra. Kapitän Greldik kam durch die schmale Kajütentür herein, Gesicht und Bart tropfnaß. »Der Drasnier – Droblek – ist hier«, sagte er. »Er sagt, er hätte Nachrichten für euch.«
»Schick ihn herein«, bat Barak.
Droblek quetschte seinen massigen Körper durch die schmale Tür. Er war vom Regen völlig durchweicht und tropfte den Boden voll. Er wischte sich übers Gesicht. »Ziemlich feucht draußen«, meinte er.
»Haben wir gemerkt«, sagte Hettar.
»Ich habe
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