Zauber der Schlange
Gesicht war angespannt vor Konzentration. Ihre Lippen formten wieder jene gutturalen Zischlaute.
»Ist es wahr?« echote Tante Pols Stimme in Garions Gedanken.
»Es scheint so«, antwortete die sachliche Stimme. »Sie haben ihn Verschiedenes trinken lassen, und er kommt mir leicht verändert vor.«
Tante Pols Augen weiteten sich. »Wer bist du?«
»Ich war schon immer hier, Polgara. Wußtest du das nicht?«
»Weiß es Garion?«
»Er weiß, daß ich hier bin. Er weiß aber nicht, was es bedeutet.«
»Wir können später darüber sprechen«, entschied sie. »Paß jetzt gut auf. Das mußt du tun.« Eine verworrene Bilderfolge strömte durch Garions Gedanken. »Verstehst du?«
»Selbstverständlich. Ich zeige ihm, wie.«
»Kannst du es nicht tun?«
»Nein, Polgara«, sagte die sachliche Stimme. »Die Macht ist seine, nicht die meine. Er und ich, wir verstehen einander.«
Garion fühlte sich merkwürdig allein, als die beiden Stimmen in seinen Gedanken miteinander sprachen.
»Garion.« Die Stimme sprach ruhig. »Ich möchte, daß du über dein Blut nachdenkst.«
»Mein Blut?«
»Wir werden es fiir einen Augenblick verändern.«
»Warum?«
»Um das Gift wegzubrennen, das sie dir gegeben haben. Jetzt konzentriere dich auf dein Blut.«
Garion tat wie ihm geheißen.
»Du willst, daß es so ist.« Ein gelbes Bild erschien in Garions Gedanken. »Verstehst du?«
»Ja.«
»Dann tu es. Jetzt.«
Garion legte die Fingerspitzen an die Brust und wollte, daß sein Blut sich veränderte. Plötzlich hatte er das Gefühl zu brennen. Sein Herz klopfte, und am ganzen Körper brach ihm der Schweiß aus.
»Noch einen Moment«, sagte die Stimme.
Garion lag im Sterben. Das veränderte Blut strömte durch seine Adern, und er begann heftig zu zittern. Sein Herz hämmerte wie wild. Seine Augen wurden trüb, er fiel langsam vornüber.
»Jetzt!« befahl die Stimme scharf. »Verwandle es zurück.«
Dann war es vorüber. Garions Herz setzte aus und fand dann seinen gewohnten Rhythmus wieder. Er war erschöpft, aber der Nebel in seinen Gedanken war verschwunden.
»Es ist geschafft, Polgara«, sagte der andere Garion. »Du kannst jetzt tun, was nötig ist.«
Tante Pol hatte besorgt zugesehen, aber jetzt wurde ihr Gesicht schrecklich und unerbittlich. Sie ging über die polierten Fliesen auf die Empore zu. »Salmissra«, sagte sie, »dreh dich um und sieh mich an.«
Die Königin hatte die Hände inzwischen über den Kopf erhoben, und die zischenden Worte sprudelten von ihren Lippen und stiegen schließlich zu einem heiseren Schrei an.
Dann, hoch oben in dem Schatten unter der Decke, öffneten sich die Augen der riesigen Statue und begannen, in einem tief smaragdgrünen Feuer zu glühen. Ein Edelstein in Salmissras Krone glühte ebenfalls auf.
Die Statue bewegte sich. Das Geräusch, das sie dabei machte, war ein donnerndes Knirschen, ohrenbetäubend laut. Der massive Felsen, aus dem die riesige Figur gehauen worden war, ächzte und knirschte, während die Statue einen Schritt und dann noch einen nach vorn machte.
»Warum-hast-du-mich-gerufen?« Eine gewaltige Stimme fragte dies durch starre, steinerne Lippen. Die Stimme hallte hohl aus der mächtigen Brust herauf.
»Verteidigt Eure Dienerin, großer Issa«, rief Salmissra und warf Tante Pol einen triumphierenden Blick zu. »Diese böse Zauberin ist in Euer Gebiet eingedrungen, um mich zu erschlagen. Ihre böse Macht ist so groß, daß niemand ihr zu widerstehen vermag. Ich bin Eure versprochene Braut, und ich begebe mich unter Euren Schutz.«
»Wer ist es, der meinen Tempel entweiht?« fragte die Statue mit einem tiefen Dröhnen. »Wer wagt es, Hand zu erheben gegen meine Erwählte und Geliebte?« Die smaragdenen Augen funkelten in schrecklichem Zorn.
Tante Pol stand allein mitten im Raum, und die große Statue ragte unheilvoll über ihr auf. Ihr Gesicht zeigte keine Furcht. »Du gehst zu weit, Salmissra«, sagte sie. »Das ist verboten.«
Die Schlangenkönigin lachte spöttisch. »Verboten? Was bedeuten eure Verbote schon für mich? Fliehe jetzt, oder stelle dich dem Zorn des göttlichen Issa. Messe dich, wenn du willst, mit einem Gott.«
»Wenn es sein muß«, sagte Tante Pol. Dann richtete sie sich auf und sprach ein einzelnes Wort. Das Dröhnen in Garions Gedanken bei diesem Wort war überwältigend. Dann begann sie plötzlich zu wachsen. Zentimeter um Zentimeter wuchs sie in die Höhe, wie ein Baum, dehnte sich aus, nahm vor Garions verwunderten Augen gigantische
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