Zauber der Schlange
mich nicht, Polgara«, bettelte die Königin und fiel auf die Knie. »Bitte tötet mich nicht.«
»Ich werde dich nicht töten, Salmissra. Ich habe dem Gott Issa versprochen, dein Leben zu schonen.«
»Ich habe solch ein Versprechen nicht gegeben«, sagte Barak von der Türschwelle her. Garion betrachtete seinen großen Freund genau, der neben Tante Pol im Augenblick zwergenhaft wirkte. Der Bär war verschwunden, und an seiner Stelle stand der große Chereker mit dem Schwert in der Hand.
»Nein, Barak. Ich werde das Problem Salmissra ein für alle Male lösen.« Tante Pol wandte sich wieder an die kniende Königin. »Du wirst leben, Salmissra. Du wirst sehr lange leben – vielleicht ewig.«
Eine unmögliche Hoffnung glomm in Salmissras Augen auf. Langsam kam sie auf die Füße und sah zu der riesigen Gestalt empor, die über ihr aufragte. »Ewig, Polgara?« fragte sie.
»Aber ich muß dich verändern«, sagte Tante Pol. »Das Gift, das du getrunken hast, um jung und schön zu bleiben, tötet dich langsam. Selbst jetzt schon zeigen sich Spuren auf deinem Gesicht.«
Die Hände der Königin flohen an ihre Wangen. Sie drehte sich rasch um und sah in ihren Spiegel.
»Du verblühst, Salmissra«, sagte Tante Pol. »Bald wirst du alt und häßlich sein. Die Lust, die dich verzehrt, wird verlöschen, und dann wirst du sterben. Dein Blut ist zu warm – das ist das ganze Problem.«
»Aber wie… «, stammelte Salmissra.
»Eine kleine Veränderung«, versicherte Tante Pol. »Nur eine kleine, dann wirst du ewig leben.« Garion spürte die Macht des Willens, der sich sammelte. »Ich werde dich unsterblich machen, Salmissra.« Sie hob ihre Hand und sprach ein einziges Wort. Die entsetzliche Kraft dieses Wortes ließ Garion wie Espenlaub zittern.
Zuerst schien nichts zu geschehen. Salmissra stand wie gebannt, ihre blasse Nacktheit schimmerte durch ihr Gewand. Dann wurden die seltsamen Sprenkel deutlicher, und ihre Hüften wurden schmaler. Ihr Gesicht begann sich zu verändern, wurde spitzer. Ihre Lippen verschwanden, als ihr Mund breiter wurde und seine Winkel sich zu einem starren, reptilienhaften Grinsen verzogen.
Garion sah mit Entsetzen zu, unfähig, seine Augen von der Königin zu wenden. Ihr Gewand glitt zu Boden, als ihre Schultern verschwanden und ihre Arme sich mit ihrem Körper verbanden. Ihr Körper wurde länger, und ihre Beine, inzwischen völlig zusammengewachsen, begannen sich in Windungen zusammenzulegen. Ihr glänzendes Haar verschwand, und die letzten menschlichen Züge ihres Gesichts verblaßten. Ihre goldene Krone blieb jedoch fest auf dem Kopf sitzen. Ihre Zunge schoß nervös hervor, als sie ganz in ihre Windungen zusammensank. Ihr Halsschild blähte sich auf, während sie Tante Pol, die bei dieser Verwandlung irgendwie ihre normale Größe wiedererlangt hatte, mit starren, leblosen Augen ansah.
»Besteig deinen Thron, Salmissra«, sagte Tante Pol.
Der Kopf der Königin blieb unbeweglich, aber sie schlängelte sich davon und erklomm den weichen Diwan, und es gab ein trockenes, staubiges Rascheln, als sich Schuppe an Schuppe rieb.
Tante Pol wandte sich an Sadi den Eunuchen. »Seht die Dienerin Issas, die Königin des Schlangenvolkes, deren Herrschaft dauern soll bis ans Ende aller Tage; denn jetzt ist sie unsterblich und wird für alle Zeiten in Nyissa regieren.«
Sadis Gesicht war geisterhaft blaß, seine Augen quollen weit hervor. Er schluckte mühsam und nickte dann.
»Ich lasse euch dann mit eurer Königin allein«, sagte sie. »Ich würde lieber in Frieden gehen, aber wie auch immer, der Knabe und ich gehen jetzt.«
»Ich schicke Nachricht voraus«, stimmte Sadi rasch zu. »Niemand wird es wagen, sich Euch in den Weg zu stellen.«
»Eine kluge Entscheidung«, meinte Barak trocken.
»Heil der Schlangenkönigin von Nyissa«, sang einer der rotgewandeten Eunuchen mit zitternder Stimme und kniete vor der Empore nieder.
»Preist sie«, antworteten die anderen nach dem Ritual und knieten ebenfalls nieder.
»Ihre Herrlichkeit ist uns offenbart worden.«
»Betet sie an.«
Garion warf einen Blick zurück, als er Tante Pol zu der zerschmetterten Tür folgte. Salmissra lag auf ihrem Thron, ihre gefleckten Windungen lässig aufgetürmt, den spitzen Kopf dem Spiegel zugewandt. Die goldene Krone saß auf ihrem Kopf, und ihre trüben Schlangenaugen betrachteten ihr Spiegelbild in dem Glas. Das Reptilgesicht zeigte keinerlei Ausdruck. So war es unmöglich zu wissen, was sie dachte.
30
D ie Gänge
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