Zauber der Schlange
liegen, wo sie hingefallen sind, und das Moos deckt ihren ewigen Schlummer zu.«
Garion schauderte und wandte den Blick von der stummen Anklage des einsamen Armes, der aus dem moosbedeckten Waldboden ragte. Die seltsamen Erhebungen und Unebenheiten dieses Mooses ließen das Grauen erahnen, das unter ihm moderte. Als er die Augen hob, stellte er fest, daß der unebene Grund sich so weit hinzog, wie er sehen konnte. »Wie lange brauchen wir noch, bis wir die Ebenen erreichen?« fragte er mit gedämpfter Stimme.
»Zwei Tage wahrscheinlich.«
»Und es ist überall so?«
Lelldorin nickte.
Garions Ton war schärfer, anklagender, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
»Zuerst aus Stolz – und Ehre«, erwiderte Lelldorin. »Später aus Kummer und Rache. Schließlich einfach deswegen, weil wir nicht wußten, wie wir aufhören sollten. Wie du schon gesagt hast, sind wir Arendier manchmal nicht sehr klug.«
»Aber immer tapfer«, sagte Garion rasch.
»O ja«, gab Lelldorin zu, »immer tapfer. Das ist unser nationaler Fluch.«
»Belgarath«, sagte Hettar leise hinter ihnen, »die Pferde riechen etwas.«
Meister Wolf schreckte aus seiner Döserei hoch, in die er gewöhnlich beim Reiten fiel. »Wie bitte?«
»Die Pferde«, wiederholte Hettar. »Irgend etwas da draußen macht ihnen Angst.«
Wolfs Augen verengten sich und wurden seltsam leer. Nach einem Augenblick sog er scharf die Luft ein. Dabei murmelte er einen Fluch. »Algroths«, schimpfte er.
»Was ist ein Algroth?« fragte Durnik.
»Ein nichtmenschliches Wesen – entfernt verwandt mit Trollen.«
»Ich habe einmal einen Troll gesehen«, sagte Barak. »Ein großes, häßliches Wesen mit Klauen und Fängen.«
»Werden sie uns angreifen?« fragte Durnik.
»Fast mit Sicherheit.« Wolfs Stimme klang gepreßt. »Hettar, du mußt die Pferde unter Kontrolle halten. Wir können nicht riskieren, getrennt zu werden.«
»Wo kommen sie her?« fragte Lelldorin. »In diesem Wald gibt es keine Ungeheuer.«
»Manchmal, wenn sie hungrig werden, kommen sie aus den Bergen von Ulgoland herunter«, antwortete Wolf. »Sie lassen keine Überlebenden zurück, die von ihrer Anwesenheit berichten könnten.«
»Du solltest irgend etwas tun, Vater«, sagte Tante Pol. »Sie sind überall um uns herum.«
Lelldorin sah sich rasch um, als ob er sich orientieren wollte. »Wir sind nicht weit von Elgons Hügel«, meinte er. »Wenn wir dort hinkommen, können wir sie vielleicht abwehren.«
»Elgons Hügel?« fragte Barak. Er hatte bereits sein Schwert gezogen.
»Ein Hügel, der mit Felsbrocken übersät ist«, erklärte Lelldorin. »Fast wie ein Fort. Elgon hielt ihn einen Monat lang gegen eine mimbrische Armee.«
»Klingt vielversprechend«, meinte Silk. »Dann wären wir aus den Bäumen heraus.« Er sah nervös auf den Wald, der sie in dem steten Regen finster umgab.
»Wir wollen es versuchen«, entschied Wolf. »Sie haben sich noch nicht dazu entschlossen, anzugreifen, und der Regen trübt ihren Geruchssinn.«
Ein seltsam bellendes Geräusch drang aus dem Wald. »Sind sie das?« fragte Garion. Seine Stimme klang ihm schrill in den Ohren.
»Sie rufen einander«, sagte Wolf. »Einige von ihnen haben uns gesehen. Wir wollen etwas schneller reiten, aber keine Hast, bis wir Elgons Hügel sehen können.«
Sie brachten ihre nervösen Pferde in Trab und ritten in gleichbleibendem Tempo über die schlammige Straße, die sich auf eine niedrige Hügelkette hoch wand. »Anderthalb Meilen«, sagte Lelldorin gepreßt. »Anderthalb Meilen noch, und wir müßten den Hügel sehen können.«
Die Pferde waren kaum zu halten und sahen ängstlich, mit rollenden Augen auf den Wald. Garion fühlte sein Herz klopfen, und sein Mund war plötzlich ausgetrocknet. Es fing an, etwas stärker zu regnen. Aus dem Augenwinkel heraus erhaschte er eine Bewegung und sah schnell hin. Eine menschenähnliche Gestalt lief parallel zur Straße etwa hundert Schritt entfernt durch den Wald. Sie lief halbgebückt, die Hände berührten den Boden. Sie schien von abscheulich grauer Farbe zu sein. »Dort drüben«, rief Garion.
»Ich habe ihn gesehen«, knurrte Barak. »Nicht ganz so groß wie ein Troll.«
Silk schnitt eine Grimasse. »Groß genug.«
»Wenn sie angreifen, nehmt euch vor ihren Klauen in acht«, warnte Wolf. »Sie sind giftig.«
»Wie aufregend«, meinte Silk.
»Dort ist der Hügel«, verkündete Tante Pol ruhig.
»Schnell!« brüllte Wolf.
Die verängstigten Pferde, endlich losgelassen, schossen
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