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Zauber der Schlange

Zauber der Schlange

Titel: Zauber der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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dem wir die letzte Nacht verbracht haben«, erklärte Lelldorin. »Ich habe noch nie einen so armseligen und schäbigen Ort gesehen – oder Menschen, die in solch hoffnungslosem Elend leben. Wie können sie das nur ertragen?«
    »Haben sie denn eine Wahl?«
    »Mein Vater kümmert sich zumindest um die Menschen, die auf seinem Land leben«, verteidigte sich der junge Mann. »Niemand muß Hunger leiden oder ist ohne ein Dach über dem Kopf. Aber jene Menschen werden schlechter behandelt als Tiere. Ich war immer stolz auf meinen Stand, aber jetzt schäme ich mich dafür.«
    Tatsächlich standen Tränen in seinen Augen.
    Garion wußte nicht recht, was er von dem plötzlichen Erwachen seines Freundes halten sollte. Einerseits war er froh, daß Lelldorin endlich das Offensichtliche eingesehen hatte, aber andererseits hatte er nicht geringe Befürchtungen, wozu diese neugewonnene Einsicht seinen kriegerischen Gefährten treiben konnte.
    »Ich werde meinem Stand entsagen«, erklärte Lelldorin plötzlich, als hätte er Garions Gedanken gelesen, »und wenn ich von diesem Abenteuer zurück bin, werde ich zu den Leibeigenen gehen und ihr Leben und ihre Sorgen teilen.«
    »Was würde das nützen? Wie soll das ihre Leiden auch nur im geringsten lindern?«
    Lelldorin sah rasch auf, ein halbes Dutzend Gefühle jagten über sein offenes Gesicht. Schließlich lächelte er, aber in seinen blauen Augen lag Entschlossenheit. »Du hast natürlich recht«, sagte er. »Wie immer. Es ist erstaunlich, wie du immer sofort den Kern eines Problems erkennst, Garion.«
    »Was geht in dir vor?« fragte Garion leicht besorgt.
    »Ich werde sie in eine Revolte führen. Ich werde Arendien überrennen mit einer Armee von Leibeigenen im Rücken.« Seine Stimme bebte, als sich seine Phantasie an dieser Idee entzündete.
    Garion stöhnte. »Warum ist das immer deine Antwort auf alles, Lelldorin?« fragte er. »Erstens, haben die Leibeigenen keine Waffen und wissen nicht zu kämpfen. Wieviel du auch redest, du wirst sie nie dazu bringen, dir zu folgen. Zweitens, selbst wenn sie es täten, würde jeder Edelmann in Arendien dir ein Heer entgegenstellen. Sie würden deine Armee abschlachten und hinterher wäre alles zehnmal schlimmer. Drittens, würdest du damit einen neuen Bürgerkrieg anfangen, und das ist genau das, was die Murgos wollen.«
    Lelldorin blinzelte ein paarmal, als Garions Worte ihm ins Bewußt sein drangen. Sein Gesichtsausdruck wurde allmählich wieder traurig. »Daran hatte ich nicht gedacht«, gestand er.
    »Das hatte ich auch nicht angenommen. Du wirst diese Fehler immer wieder machen, solange du deinen Verstand am gleichen Ort aufbewahrst wie dein Schwert, Lelldorin.«
    Lelldorin errötete und lachte dann reumütig. »Eine zutreffende Art, es auszudrücken, Garion«, sagte er betrübt.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte Garion sich rasch. »Vielleicht hätte ich es anders sagen sollen.«
    »Nein«, widersprach Lelldorin. »Ich bin Arendier. Ich neige dazu, Dinge nicht zu begreifen, wenn sie mir nicht direkt gesagt werden.«
    »Es ist doch nicht so, daß du dumm wärst, Lelldorin«, protestierte Garion. »Das ist ein Fehler, den alle machen. Arendier sind nicht dumm, nur impulsiv.«
    »All das war mehr als nur Impulsivität«, beharrte Lelldorin traurig und deutete auf das feuchte Moos unter den Bäumen.
    »Das was?« fragte Garion um sich blickend.
    »Dies ist der letzte Waldstreifen, ehe wir auf die Ebenen von Zentralarendien kommen«, erklärte Lelldorin. »Es ist die natürliche Grenze zwischen Mimbre und Asturien.«
    »Der Wald sieht genauso aus wie sonst«, meinte Garion.
    »Nicht wirklich«, sagte Lelldorin schwermütig. »Hier war der bevorzugte Platz für Hinterhalte. Der Boden dieses Waldes ist übersät mit alten Knochen. Sieh hier.« Er streckte die Hand aus.
    Zuerst schien es Garion, als wäre das, worauf der Freund zeigte, lediglich ein Paar gekrümmter Äste, die aus dem Moos ragten, und deren Zweige sich in einem kümmerlichen Busch verheddert hatten. Dann stellte er mit Ekel fest, daß es die grünlichen Knochen eines menschlichen Arms waren, dessen Finger sich in einem letzten Todeskrampf um den Busch gekrallt hatten. Empört fragte er: »Warum hat man ihn nicht begraben?«
    »Tausend Männer würden tausend Jahre brauchen, um all die Knochen aufzusammeln, die hier herumliegen, und sie der Erde zu übergeben«, sagte Lelldorin düster. »Ganze arendische Generationen ruhen hier – Mimbrater, Waciter, Asturier. Alle

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