Zauber der Schlange
Locke, die im Wind hinter ihm herflatterte. In panischer Angst trieb Garion sein Pferd an, aber der schreckliche Reiter hinter ihm holte ihn bald ein und nahm ihm die Zügel aus der Hand. »Was soll das?« fragte er barsch.
Garion starrte ihn an, unfähig zu antworten.
Dann war die Frau im blauen Gewand da, und die anderen dicht hinter ihr. Sie stieg rasch vom Pferd und musterte ihn mit strengem Gesicht. Ihr Haar war sehr dunkel, und an ihrer Schläfe war eine einzelne weiße Locke.
Garion zitterte. Die Frau flößte ihm schreckliche Angst ein. »Steig vom Pferd«, befahl sie.
»Sanft, Pol«, sagte ein weißhaariger alter Mann mit einem bösen Gesicht.
Ein großer, rotbärtiger Riese ritt drohend näher heran, und Garion, der vor Angst schluchzte, glitt aus dem Sattel.
»Komm her«, befahl die Frau. Stolpernd ging Garion auf sie zu.
»Gib mir deine Hand«, sagte sie.
Zögernd hob er seine Hand, und sie umfaßte fest sein Handgelenk. Sie öffnete seine Finger, um das häßliche Mal zu enthüllen, das er immer schon gehaßt zu haben schien, dann legte sie seine Hand an die weiße Locke in ihrem Haar.
»Tante Pol«, keuchte er, als der Alptraum plötzlich von ihm wich. Sie legte die Arme um ihn und hielt ihn eine Weile fest. Seltsamerweise war er nicht verlegen über diese so offen vor anderen gezeigte Zuneigung.
»Es ist ernst, Vater«, sagte sie zu Meister Wolf.
»Was ist passiert, Garion?« fragte Wolf mit ruhiger Stimme.
»Ich weiß nicht«, antwortete Garion. »Es war, als ob ich keinen von euch kannte. Ihr wart meine Feinde, und ich wollte nur noch von euch weglaufen und versuchen, zu meinen wahren Freunden zurückzukehren.«
»Trägst du noch das Amulett, das ich dir gegeben habe?«
»Ja.«
»Hast du es irgendwann einmal abgelegt, seit du es hast?«
Garion überlegte. »Nur einmal«, gestand er. »Als ich in der tolnedrischen Herberge ein Bad genommen habe.«
Wolf seufzte. »Du darfst es nicht abnehmen«, sagte er, »niemals – aus keinem Grund. Hole es unter deiner Tunika hervor.«
Garion zog den silbernen Anhänger mit dem seltsamen Zeichen heraus.
Der alte Mann zog sein Medaillon unter seiner Tunika hervor. Es war sehr hell, und darauf war eine so lebensechte Figur eines stehenden Wolfes, daß es fast aussah, als ob er jeden Moment davonlaufen wollte.
Tante Pol, die den Arm immer noch um Garions Schulter hatte, zog ein ähnliches Amulett aus ihrem Mieder. Auf ihrem war die Figur einer Eule. »Nimm es in deine rechte Hand, mein Lieber«, befahl sie ihm und schloß Garions Finger fest um den Anhänger. Dann, ihr eigenes Amulett in ihrer rechten Hand haltend, legte sie ihre linke Hand über seine geschlossene Faust. Wolf, der seinen Anhänger ebenfalls festhielt, legte seine Hand um ihre.
Garions Handfläche begann zu kribbeln, als ob der Anhänger plötzlich lebendig geworden sei. Meister Wolf und Tante Pol sahen sich einen langen Augenblick an, und das Kribbeln in Garions Hand wurde auf einmal sehr stark. Sein Geist schien sich zu öffnen, seltsame Dinge flimmerten vor seinen Augen. Er sah einen runden Raum, der irgendwo sehr hoch oben lag. Ein Feuer brannte, aber es lag kein Holz darin. An einem Tisch saß ein alter Mann, der ein bißchen aussah wie Meister Wolf, aber offenbar jemand anders war. Er schien Garion direkt anzusehen. Seine Augen waren freundlich, fast liebevoll. Garion wurde plötzlich von verzehrender Liebe zu dem alten Mann überwältigt.
»Das sollte genügen«, meinte Wolf und ließ Garions Hand los.
»Wer war der alte Mann?« fragte Garion.
»Mein Meister«, antwortete Wolf.
»Was ist geschehen?« fragte Durnik besorgt.
»Es ist wahrscheinlich besser, nicht darüber zu sprechen«, sagte Tante Pol. »Meinst du, daß du ein Feuer zustande bringst? Es ist Zeit fürs Frühstück.«
»Dort drüben stehen ein paar Bäume, wo wir vor dem Wind geschützt wären«, schlug Durnik vor.
Sie stiegen wieder auf die Pferde und ritten auf die Bäume zu.
Nachdem sie gegessen hatten, saßen sie noch eine Weile am Feuer. Sie waren müde, keiner von ihnen hatte Lust, wieder in den stürmischen Morgen hineinzureiten. Garion fühlte sich besonders erschöpft, und er wünschte, er wäre noch jung genug, sich dicht neben Tante Pol zu setzen und vielleicht den Kopf in ihren Schoß zu legen und zu schlafen, wie er es getan hatte, als er noch sehr klein war. Das seltsame Ereignis ließ ihn sich sehr allein und mehr als nur ein wenig verängstigt fühlen.
»Durnik«, fragte er, mehr um
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