Zauber der Schlange
totenblaß und begann zu zittern.
»Welche Idiotie hat dich dazu gebracht, aus dem Palast deines Vaters davonzulaufen?« wollte Barak wissen. »Vermutlich sucht ganz Tolnedra nach dir, und wir stecken mittendrin.«
»Gemach«, sagte Wolf zu dem riesigen Cherek. »Sie mag eine Prinzessin sein, aber sie ist trotzdem noch ein kleines Mädchen. Mach ihr keine Angst.«
»Trotzdem trifft die Frage genau den Punkt«, meinte Hettar. »Wenn wir mit einer Kaiserlichen Prinzessin in unserer Gesellschaft geschnappt werden, können wir uns alle das Innere eines tolnedrischen Verlieses ansehen.« Er wandte sich an Ce’Nedra. »Hast du eine Antwort, oder hast du nur ein Spiel betrieben?«
Sie reckte sich hochmütig. »Ich bin es nicht gewohnt, Dienern meine Handlungsweise zu erklären.«
»Wir müssen über kurz oder lang wohl ein paar falsche Vorstellungen geraderücken, wie ich sehe«, sagte Wolf.
»Beantworte einfach die Frage, Liebes«, sagte Tante Pol zu dem Mädchen. »Egal, wer sie gestellt hat.«
»Mein Vater hatte mich im Palast eingesperrt«, sagte Ce’Nedra beiläufig, als ob das alles erklärte. »Das war untragbar, also bin ich gegangen. Es gibt noch einen anderen Grund, aber der ist politisch. Das würdet ihr nicht verstehen.«
»Du wärst vermutlich erstaunt, was wir alles verstehen, Ce’Nedra«, sagte Meister Wolf.
»Ich bin es gewohnt, als meine Dame angesprochen zu werden«, sagte sie spitz, »oder als Eure Hoheit.«
»Und ich bin es gewohnt, daß man mir die Wahrheit sagt.«
»Ich dachte, Ihr wärt hier der Anführer?« sagte Ce’Nedra zu Silk.
»Der Schein kann trügen«, antwortete Silk sanft. »Ich würde die Frage beantworten.«
»Es handelt sich um einen alten Vertrag«, sagte sie. »Ich habe ihn nicht unterschrieben, also sehe ich nicht ein, weshalb ich durch ihn gebunden sein sollte. Ich soll an meinem sechzehnten Geburtstag im Thronsaal von Riva erscheinen.«
»Das wissen wir«, sagte Barak ungeduldig. »Wo liegt das Problem?«
»Ich werde nicht gehen, das ist alles«, verkündete Ce’Nedra. »Ich gehe nicht nach Riva, und niemand wird mich dazu bringen. Die Königin im Wald der Dryaden ist meine Verwandte und wird mir Zuflucht gewähren.«
Jeebers hatte sich halbwegs wieder in der Gewalt. »Was hast du getan?« fragte er wutentbrannt. »Ich habe das alles in dem klaren Bewußtsein unternommen, daß ich dafür belohnt – ja sogar befördert würde. Du hast meinen Kopf auf den Block gelegt, du kleine Närrin!«
»Jeebers!« rief sie, bei seinen Worten schockiert.
»Wir sollten etwas abseits der Straße gehen«, schlug Silk vor. »Offensichtlich haben wir noch über einiges zu reden, hier auf der Hauptstraße werden wir bloß gestört.«
»Vermutlich eine gute Idee«, stimmte Wolf zu. »Wir wollen uns einen ruhigen Platz suchen und unser Nachtlager aufschlagen. Wir werden dann entscheiden, was wir tun können und dann morgenfrüh ausgeruht aufbrechen.«
Sie stiegen wieder auf die Pferde und ritten durch die hügeligen Felder auf eine Gruppe von Bäumen zu, die den Verlauf einer gewundenen Landstraße markierten, die etwa eine Meile vor ihnen lag.
»Wie wäre es hier?« schlug Durnik vor und deutete auf eine ausladende Eiche, die neben der Straße stand und an deren Ästen sich in der späten Nachmittagssonne die ersten Blätter zeigten.
»Das müßte genügen«, sagte Wolf.
In dem Schatten unter den ausladenden Ästen der Eiche war es angenehm. Die Landstraße wurde von niedrigen Steinmauern gesäumt, die kühl und bemoost waren. Ein Zauntritt führte gerade dort über eine der Mauern, und ein Pfad schlängelte sich durch die Felder zu einem nahegelegenen Teich, der in der Sonne glitzerte.
»Wir können das Feuer hinter der Mauer entfachen«, meinte Durnik. »So dürfte es von der Hauptstraße her nicht zu sehen sein.«
»Ich hole Holz«, meldete Garion sich freiwillig und betrachtete die toten Zweige, die im Gras unter dem Baum lagen.
Inzwischen hatten sie eine gewisse Routine darin entwickelt, ihr Nachtlager aufzuschlagen. Die Zelte wurden aufgestellt, die Pferde getränkt und angepflockt, ein Feuer entfacht, alles innerhalb einer Stunde. Dann erhitzte Durnik, der an der Oberfläche des Teiches einige verräterische Kreise entdeckt hatte, einen Eisenstab im Feuer und hämmerte ihn sorgfältig zu einem Haken.
»Wofür ist das?« fragte Garion.
»Ich dachte, wir könnten etwas Fisch zum Abendbrot vertragen«, sagte der Schmied und wischte den Haken an seiner Ledertunika ab.
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