Zauber der Vergangenheit
vor Mitternacht zu Hause sein. Ihr Vater führt diesbezüglich ein strenges Reglement.«
»Nichts läge mir ferner, als Sie aufzuhalten. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen gerne meine Kutsche zur Verfügung.« Er war fast überschwänglich bemüht.
»Das ist sehr zuvorkommend von Euch, aber ich denke, das wird nicht nötig sein«, wehrte Drew ab. Wo hatte er gelernt, so geschwollen zu reden?
»Ich befürworte eine konsequente Erziehung. Miss Violet, richten Sie Ihrem Vater doch bitte aus, dass er meinen vollen Respekt genießt.« Er war ein verdammter Schleimscheißer. Das würde ich meinem Dad ausrichten, sonst nichts.
»Das werden wir.« Drew verbeugte sich noch einmal, nahm meine Hand und zog mich auf die Füße. Bereitwillig hielt ich mich an ihm fest. Der Herzog trat auf mich zu und verabschiedete sich mit einem Handkuss. Es prickelte an der Stelle, an der seine Lippen meine Haut berührten. Wie machte er das bloß?
»Auf Wiedersehen, Miss Violet. Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen.«
Ich erwiderte nichts, bis Drew meine Hand drückte und mir einen auffordernden Blick zuwarf. Na gut, dann würde ich eben mitspielen.
»Ganz meinerseits«, sagte ich widerwillig.
Ohne sich noch einmal umzusehen, marschierte Drew mit mir an der Hand hinaus, an Emilia vorbei, die sich neben der Tür postiert hatte, damit ihr auch ja nichts entging.
Erst als sie außer Hörweite war, wagte ich wieder etwas zu sagen.
»Kannst du mir vielleicht mal erklären, was das Ganze hier soll?«, flüsterte ich. »Dasselbe könnte ich dich fragen«, raunte er zurück. »Und jetzt sei mal für einen Moment still!«
Drew sprach kein weiteres Wort und ich traute mich nicht etwas zu sagen. Erst als wir die Eingangshalle durchquert und zur Vordertür hinausgetreten waren, drehte er sich zu mir um. Ich hielt es nicht mehr aus. Mir reichte es jetzt.
»War's das jetzt? Seid ihr jetzt fertig?«, fragte ich genervt und entzog mich seinem Griff.
»Was meinst du?« Er sah mich irritiert an.
»Euer Theater. Wenn das ein Spaß sein sollte, dann war es nicht komisch. Na ja, für euch vielleicht, aber für mich nicht.« Ich blickte ihn beleidigt an.
»Spaß? Das hier ist mit absoluter Sicherheit kein Spaß, Violet!«, entgegnete er.
»Ach, nein? Und was sollte diese Nummer da eben dann darstellen? War das die Idee meiner Tante? So eine Art Entführung-im-Dunkeln-Spiel-Geschichte im Stil des 18. Jahrhunderts? Habt ihr darüber vorhin gesprochen? Wollte sie mir eins auswischen dafür, dass ich mich vor ihrer blöden Party drücken wollte?«
»Das ist kein Spiel«, sagte er ernst.
»Drew, du kannst aufhören den Ahnungslosen zu mimen. Ich hab's kapiert.«
»Violet …«
»Ich meine, das Ganze war für eine Weile ja auch ziemlich überzeugend und so, muss ich gestehen. Und beinahe hättet ihr mich drangekriegt.«
»Violet …«
»Ich hab für einen Moment tatsächlich gedacht, ich wäre in die Vergangenheit gereist. Und es sah ja auch alles wirklich echt aus, mit den Kerzen und …«
»Violet, verdammt noch mal. Sieh dich um!«, unterbrach er mich harsch und packte mich fest am Arm.
Ich verstummte. Sein Blick machte mir Angst. Ich ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Wir standen eindeutig auf der Straße vor Tante Battys Haus. Das Haus selbst hatte sich nicht verändert, dafür aber so ziemlich alles darum herum. Die Straße lag dunkel und verlassen da. Dort, wo eigentlich Autos hätten parken sollen, standen in einer langen Reihe Kutschen, einige mehr, andere weniger prunkvoll. Das elektrische Licht der Straßenlaternen war einer Beleuchtung gewichen, die den Weg nur notdürftig erhellte. Auch war die Straße nicht mehr betoniert, sondern mit Kopfsteinen gepflastert. Mir dämmerte, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Und das hatte nichts mehr mit einem harmlosen Streich zu tun. Auf meinem Arm bildete sich eine Gänsehaut.
»Drew, wo sind wir?«, fragte ich beunruhigt kleinlaut. Mir wurde kalt und das ungute Gefühl in meiner Magengrube breitete sich in meinem gesamten Körper aus.
»Wenn ich mich nicht irre, sind wir im Oxford des beginnenden 18. Jahrhunderts.«, erfasste er beinahe analytisch die Situation.
»Was?«, krächzte ich hysterisch. »Aber wie …?«
»Der Ring.« Er zeigte auf meine Hand. »Du hast an dem Ring gedreht.«
Es hatte also doch etwas mit dem Ring zu tun. »Aber warum bin ich ausgerechnet hier gelandet?«
»Ich weiß es nicht, aber du hast, bevor du verschwunden bist, in dem komischen, roten Buch
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