Zauber der Vergangenheit
müssen sowieso bald aufbrechen.« Er sah das geöffnete Scheunentor hinter mir.
»Sag mal, warst du draußen?«, fragte er.
»Äh ja, … ich musste mal pinkeln«, log ich.
»Das hättest du doch auch hier drin machen können.«
»Also ehrlich, Drew, aus dem Alter, in dem man ins Bett pinkelt, bin ich doch wohl raus.«
»Welches Bett? Hier gibt's doch nur haufenweise Stroh.«
»Ja, aber das ist doch irgendwie dasselbe.«
»Ich hoffe schwer, dass dich niemand gesehen hat.«
»Nein, natürlich nicht.« Ich hoffte inständig, dass er meine Lüge nicht durchschaute.
»Ist sie schon aufgewacht?«, fragte ich, um von mir abzulenken.
»Nein, aber sie hat eben kurz gehustet. Ich nehme an, sie wird bald zu sich kommen.«
Wie aufs Stichwort regte sich etwas hinter uns im Stroh. Ich eilte zu ihr hin. Das Mädchen sah mich aus halb geöffneten Augen an und lächelte.
»Wo bin ich?«, fragte sie mit matter Stimme und versuchte sich aufzurichten, doch es gelang ihr nicht.
»Keine Angst, du bist in Sicherheit«, versicherte ich ihr schnell. »Drew und ich haben dich vor dem Feuer gerettet.« Das Mädchen ließ sich wieder ins Stroh sinken. Sie schien sichtlich erleichtert zu sein.
»Danke«, flüsterte sie mit zarter Stimme. Sie griff nach meiner Hand und ich lächelte zurück.
»Wie fühlst du dich?«, fragte ich besorgt.
»Etwas benommen«, antwortete sie und richtete sich mit Drews Hilfe so weit auf, dass sie sitzen konnte. »Und mein Kopf schmerzt.«
»Das kommt vom Rauch«, stellte Drew fest. »Sie haben eine Menge davon eingeatmet.«
»Ihr habt mir das Leben gerettet«, sagte sie. Ihr Blick wanderte zwischen Drew und mir hin und her.
»Wie heißen Sie?«, fragte Drew und sah sie neugierig an.
»Lilian. Ich heiße Lilian Haimsworth.«
»Warum hat man versucht, dich auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen?«, fragte ich.
»Man hielt mich für eine Hexe«, antwortete sie knapp.
»Wer würde denn so einen Unsinn behaupten?«, fragte ich verständnislos.
»Mein Verlobter.« Ihr Blick traf mich mitten ins Herz.
»Dein Verlobter?« Ich sah sie ungläubig an. »Aber warum?«
»Er glaubt, ich sei ihm untreu gewesen. Aber das stimmt nicht. Ich habe ihm Treue geschworen und mich immer daran gehalten. Jetzt, wo sein Plan mich loszuwerden, gescheitert ist, wird er wahrscheinlich alles daran setzen, mich wiederzufinden.« Tränen glitzerten in ihren Augen. Ich hielt weiter ihre Hand.
»Noch ein Grund, weswegen wir so schnell wie möglich von hier verschwinden sollten«, seufzte Drew. »Ich habe keine Lust auf die Begegnung mit einem rachsüchtigen Exfreund. Ich hatte mit Abstand genug Action für heute.«
»Kannst du laufen?«, fragte ich Lilian.
»Ich weiß nicht.« Sie versuchte aufzustehen, doch ihre Beine waren noch zu schwach.
»Ihr wartet hier«, sagte Drew bestimmt. »Ich bin gleich wieder da.«
»Wo willst du denn hin?«, fragte ich.
»Sie kann nicht laufen und ich kann sie nicht den ganzen Weg über tragen, also brauchen wir ein Gefährt.«
Er marschierte zielstrebig zum Scheunentor und verschwand in der Dunkelheit.
»Violet …«, flüsterte sie.
»Woher kennst du meinen Namen?«, fragte ich verwundert.
»Ich habe von dir geträumt.«
»Von mir?« Ich sah sie ungläubig an.
»Ja, von dir und deinem Freund.«
»Oh, er ist nicht mein … ich meine, er ist mein Freund, aber nicht mein fester Freund …«
»Du musst vorsichtig sein«, unterbrach sie mich. Sie sah mich eindringlich an.
»Wie meinst du das?«, fragte ich. Sie war wohl noch etwas verwirrt.
»Er ist um dich besorgt und bereit alles zu tun, um dich vor Unheil zu bewahren.«
»Meinst du Drew?«
»Du musst wachsam sein. Dein Herz mag rein sein, doch es wird dich nicht schützen können.«
»Schützen? Wovor?«
»Vor dem tiefen Fall.«
»Was meinst du damit?« Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte. Sie sprach in Rätseln.
»Du darfst niemandem trauen, außer dir selbst. Hör auf deine innere Stimme. Sie zeigt dir den rechten Weg.«
»Ich verstehe nicht, was du mir damit sagen willst«, entgegnete ich unsicher.
In diesem Moment kam Drew zurück.
»Drew, ich glaube sie redet wirr«, sagte ich Hilfe suchend. Ich war mit der Situation etwas überfordert.
»Das sind wahrscheinlich die Nachwirkungen von ihrem kleinen Grill-Ausflug«, entgegnete er und half ihr aufzustehen. Gemeinsam stützten wir sie und humpelten langsam nach draußen. Dort stand ein kleiner Karren mit einem Esel.
»Der kommt mir bekannt vor«, sagte
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