Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
Heiratskandidatinnen verfügbar ist, würde ich gern einen Blick darauf werfen. Es wird höchste Zeit, dass ich anfange, meine Pflichten zu erfüllen, meiner Verantwortung gerecht zu werden und sofort. Du weißt schon, was ich meine.«
»Ja, selbstverständlich«, sagte sie matt.
»Hervorragend.« Er nickte nochmals und verließ die Bibliothek. In der Diele rief er nach seiner Kutsche, überlegte es sich dann jedoch anders und beschloss, zu Fuß zum Club zu gehen. Gideon machte gern längere Spaziergänge. Sie halfen, wenn man nachdenken wollte, und boten Ablenkung, wenn man es nicht wollte.
Falls Judith entschlossen war, ihn in die Vergangenheit zu verbannen, dann sei es so. Was er zu Helmsley gesagt hatte, war sein voller Ernst gewesen: Nie wieder würde er sein Herz einer Frau anbieten, die es nicht wollte. Und doch gehörte sein Herz für immer Judith, ob sie wollte oder nicht.
Fünfzehntes Kapitel
»Was in aller Welt ist hier los?«
Judith sah von dem Notizbuch auf, das sie in der Hand hielt, und blickte über die Kisten und Truhen hinweg, die überall im Salon verteilt standen. Gütiger Gott, was tat sie denn hier? Judith holte tief Luft. »Guten Tag, Lady Radbury. Ich muss sagen, das ist eine Überraschung.«
»Dasselbe könnte ich sagen, Lady Chester.« Die ältere der beiden Frauen blickte sich im Salon um. »Was haben Sie vor?«
»Ich würde meinen, das ist ziemlich offensichtlich«, antwortete Judith mit einem freundlichen Lächeln. »Ich packe.«
»Ja, stimmt, es ist offensichtlich«, sagte Gideons Tante scharf. »Die Frage ist nur, wohin reisen Sie und warum.«
»Ich reise nach Paris, wo ich hoffe, mich einer Expedition nach Kolumbien anschließen zu können, während der ich Orchideen sammeln möchte.«
Lady Radbury sah sie ungläubig an. »Sind Sie von Sinnen?«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Judith.
»Sie reisen nach Kolumbien, um Blumen zu pflücken?«
»Ich reise nach Kolumbien, um Orchideen zu suchen«, korrigierte Judith sie.
Lady Radbury rümpfte die Nase. »Nun, das ist das Wahnwitzigste, was ich je gehört habe. Ihnen ist bewusst, dass Sie eine Frau sind, oder?«
»Ja, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich werde nicht die erste Frau sein, die an einer solchen Expedition teilnimmt, und ich wage zu behaupten, auch nicht die letzte.«
»Ich verstehe die Welt nicht mehr«, murmelte Lady Radbury, die sich einen Weg um die Kisten und Truhen zu Judith bahnte. »Wann haben Sie beschlossen, diese Reise anzutreten?«
»Vor wenigen Tagen, aber ich denke bereits seit Jahren daran.«
»Und wann reisen Sie ab?« Lady Radbury blieb an einer Truhe stehen und schaute hinein.
»Sobald alles arrangiert ist.«
»Aha«, sagte Lady Radbury und blickte wieder zu Judith. »Eine ziemliche extreme Fluchtmaßnahme, finden Sie nicht?«
»Es handelt sich keineswegs um eine Fluchtmaßnahme. Ich wollte das schon immer mal machen«, erklärte Judith geduldig. »Nun ergab sich die Gelegenheit dazu, und...«
Lady Radbury nahm eine Figur aus Meissner Porzellan aus der Truhe vor sich und betrachtete sie. »Und was ist mit Gideon?«
»Was soll mit Gideon sein?«
Lady Radbury hob die Brauen. »Dieses Spiel spielen wir, ja? Nun gut.« Sie legte die Figur vorsichtig wieder zurück in die Kiste, bahnte sich ihren Weg zur Couch und setzte sich. »Kommen Sie zu mir, Judith. Wir müssen reden.«
»Ich würde gern mit Ihnen plaudern, Louisa, aber ich habe heute noch eine Menge zu erledigen und nur sehr wenig Zeit.« Judith zeigte auf die Truhen. »Allein für diesen Raum werde ich noch einen ganzen Tag brauchen. Außerdem muss ich zu meinem Anwalt und Freunde bitten, sich um meinen Hund zu kümmern.«
»Sie planen demnach, lange fortzubleiben?«
»Mindestens sechs Monate, möglicherweise ein Jahr.« Vielleicht für immer . »Ich denke darüber nach, das Haus während meiner Abwesenheit zu vermieten, deshalb werde ich bis zu meiner Rückkehr die Möbel auslagern.«
»Da Sie so lange fort sein werden, können Sie sich jetzt doch gewiss einen Moment Zeit nehmen.« Louisa klopfte neben sich auf die Couch.
Judith zögerte. Sie hatte nicht die geringste Lust, sich anzuhören, was Gideons Tante ihr sagen wollte, egal was es war. Und sie verspürte nicht den leisesten Wunsch, über Gideon zu sprechen. Es war schon genug, dass er jede Minute in ihrem Kopf war, genug, dass sie alles, was sie sah oder berührte, an ihn erinnerte und an das, was sie hätte haben können.
Louisa verdrehte die Augen.
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