Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
mit ähnlichem Maßstab messen sollte. Wie aber kommt es dann, dass es bei dir als Mann vollkommen akzeptabel ist, das Bett mit einer Frau zu teilen, ohne durch die Ehe dazu berechtigt zu sein, während es als skandalös gilt, wenn ich, eine Frau, dasselbe tue?«
Er starrte sie ungläubig an. »Weil«, und er betonte jedes einzelne Wort, »du eine Frau bist.«
»Und du bist ein Idiot«, konterte sie spitz, »aber das beschränkt dich kein bisschen in deinen Möglichkeiten.«
»Ein Idiot?«, wiederholte er entrüstet. »Ein Idiot?«
»Ja. I-d-i-o-t. Muss ich dir das Wort erklären, oder reicht dir die genaue Schreibweise?«
»Teufel noch mal, Judith.« Er versuchte, sich gleichzeitig die Socken anzuziehen und zu ihr zu hüpfen. »Das ist wider jede Vernunft.«
»Tja, was kann man anderes erwarten? Ich bin schließlich eine Frau, nicht wahr? Und als solche neige ich zur Irrationalität.«
»Das habe ich nicht gesagt.« Und er war aufrichtig dankbar, dass er dem Impuls widerstanden hatte, genau diese Worte selbst auszusprechen. Mit seinen unüberlegten Bemerkungen hatte er sie bereits hinreichend aufgebracht. »Es tut mir leid. Es tut mir ehrlich, ehrlich leid. Was ich sagte, war gemein und unangebracht.«
»Wie ich schon erwähnte, ist es egal. Und jetzt«, sie deutete mit dem Kopf zur Tür, »geh.«
Aus der Zimmerecke war ein leises Knurren zu vernehmen, das Gideon ignorierte. »Wenn es egal und unwichtig ist und du nicht wütend auf mich bist...«
»Nicht im Geringsten«, sagte sie unbekümmert. »Zumindest nicht aufgrund deiner Bemerkung.«
»Dennoch nutzt du die Tatsache, dass ich mich dafür schäme, um mich rauszuwerfen.«
Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. »Anscheinend ist deine Scham nicht groß genug, als dass du es mit dem Gehen eilig hättest.«
Während er sie noch fassungslos anstarrte, fiel ihm auf einmal ein, was hier los war. Warum war er nicht längst darauf gekommen? »Sprichst du überhaupt je über deine Ehe?«
Sie funkelte ihn wütend an. »Du denn?«
»Mit dir, gerade eben.«
»Ich habe dir alles gesagt, was es zu erzählen gibt.« Sie verdrehte die Augen, als würde er ihre Geduld über Gebühr strapazieren. »Ich war jung. Er war ein Dichter, sehr romantisch, gefühlvoll und ziemlich unwiderstehlich. Und als er starb... Wie drücktest du es noch gleich aus?« Sie überlegte. »Ah ja! Ich lebte lange Zeit in einer selbst gemachten Hölle. Reicht dir das?«
»Nein!«
»Auch gut, muss es trotzdem.«
»Himmelherrgott, Judith!« Er setzte sich sehr energisch auf einen Stuhl, der so zerbrechlich aussah, als sollte sich überhaupt niemand darauf setzen, und erst recht nicht energisch. Dennoch hielt er, und so fuhr Gideon fort, sich die Socken und Schuhe anzuziehen. »Das passt gar nicht zu dir.«
»Woher willst du wissen, was zu mir passt und was nicht. Soviel du weißt, könnte ich immerzu ein irrationales Wesen sein. Wir haben zwei Abende verbracht, ein bisschen dürftig, um dich zum Kenner meines Wesens zu machen, findest du nicht? Du kennst mich überhaupt nicht!«
»Dieses Gespräch endet hier.« Er stand auf, nahm sich seinen Gehrock und zog ihn sich über. »Aber nur fürs Erste.«
»Dann darfst du es mit dir allein weiterführen, denn ich habe nicht die Absicht, es fortzusetzen!«
»Das werden wir ja sehen.« Er ging zur Tür. »Heute Abend haben du und ich unsere Verbindung vor dem Rest der Welt offenbart. Es wird gewisse Gerüchte geben. Und zweifellos werden auch ein oder zwei Wetten über die Dauer unserer Liaison ausgerufen werden. Deshalb warne ich dich besser gleich. Ich beabsichtige, sie sehr lange aufrechtzuerhalten.«
»Das werden wir ja sehen«, imitierte sie ihn.
Wieder wandte er sich der Tür zu, blieb dann jedoch abrupt stehen. Teufel noch mal, so würde er auf keinen Fall gehen! Er drehte sich um, lief mit großen Schritten zu ihr und riss sie in seine Arme. Prompt sprang Arthur quer durchs Zimmer auf ihn zu und begann, ihn biestig in die Hacken und Knöchel zu zwicken. Gideon ignorierte ihn, schaute Judith in die Augen und sprach laut genug, um das Hundegekläff zu übertönen. »Du behauptest, ein Buch zu sein, in dem ganz London lesen kann. Aber ich glaube, du zeigst der Welt nur, was du willst, dass sie sieht. Ich kannte noch keine Frau wie dich, und will alles über dich erfahren – was du denkst, was du fühlst, und, ja, ich will auch über deine Vergangenheit Bescheid wissen.« Er küsste sie innig. »Und ich beabsichtige, es
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