Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
allerdings davon aus, mehr über das Gespräch zwischen Judith und Tante Louisa würde er erst erfahren, nachdem er ein wenig von sich erzählt hatte. »Meine Tante ist die einzige Schwester meines Vaters. Mein Vater starb kurz nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag. Meine Mutter verstarb, als ich noch sehr jung war, so dass ich mich kaum an sie erinnere. Außer Tante Louisa habe ich eine Handvoll entfernte Cousins, von denen einige sehr genau beobachten, wie es um meine Gesundheit und meinen Familienstand bestellt ist, weil sie hoffen, dass ich ohne Erben von dieser Welt scheide. Vorzugsweise natürlich, solange sie noch nicht zu alt sind, um meinen Titel und mein Vermögen zu genießen.« Er grinste. »Ich wäre zu gern dabei, wenn sie sich um die Erbfolge zanken, nachdem ich meinen letzten Atemzug getan habe.«
Judith lachte.
»Ja, lach du nur, aber ich fürchte, es wird ein ziemlich heftiger Kampf.«
»Sie müssen doch wissen, dass du nicht vorhast, ohne Erben zu verscheiden«, sagte sie leichthin.
»Nein, habe ich nicht.« Er atmete tief ein. »Sie hat dir von meiner unglückseligen Ehe erzählt, nicht wahr? Obwohl etwas, das weniger als einen Tag andauerte, wohl kaum die Bezeichnung Ehe verdient.«
»Sie erwähnte es.«
»Ich hätte gern ihre Version der Geschichte gehört. Wir haben nie darüber gesprochen.« Er wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich habe mit niemandem darüber geredet.«
»Das musst du auch jetzt nicht«, sagte sie leise. »Falls du es wünschst...«
»Nein, es wird höchste Zeit, darüber zu sprechen.« Erst in dem Augenblick, da er es sagte, wurde ihm klar, wie recht er hatte. Er drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände unter seinem Kopf und starrte in die Dunkelheit. »Ich war jung und närrisch genug, um an die Liebe und alberne Märchen von verzweifelten jungen Frauen zu glauben.«
»Und von galanten Rittern, die zu ihrer Rettung herbeieilen?«
Er lachte. »Genau. Ich war der Ritter in schimmernder Rüstung, der die holde Maid vor einem Schicksal schlimmer als der Tod rettete – einer unglücklichen Heirat. Mit dem einzigen Manko, dass ich weniger galant als dumm war und mich von einem hübschen Gesicht und einem verführerischen Betragen an der Nase herumführen ließ. Ich hielt sie für das wundervollste Wesen, das mir je begegnet war. Ein Engel auf Erden.«
»Ich gestehe, dass ich noch nie einem richtigen Engel begegnet bin.«
»Wie sich herausstellte, ich auch nicht«, bemerkte er trocken. »Obwohl sie zweifelsohne wie ein Engel aussah. Ihre Augen waren von einem erstaunlichen Blau, passend zu ihrem Namen, Violet.«
»Das ist engelsgleich«, murmelte Judith.
»Ja, sollte man meinen.« Er sah kurz zu ihr. »Kanntest du sie, Violet Smithfield? Die Tochter des Earls of Traverston?«
»Nein, ich wüsste nicht.«
»Schade. Mich würde interessieren, was du von ihr hältst. Wie dem auch sei, meine holde Maid, dieser Engel, wollte den Mann, den sie heiraten sollte, dazu bringen, seine Gefühle auf eine... nun ja, eine leidenschaftlichere Weise auszudrücken, vermute ich. Ihr Verlobter war für seine Reserviertheit bekannt. Aus irgendwelchen Gründen, vornehmlich Bequemlichkeit, vermute ich, wandte sie sich mir zu, um den armen Mann eifersüchtig zu machen.«
»Wahrscheinlich weil sie auf den ersten Blick erkannte, dass du selbstbewusst, galant und mutig genug bist, um sie retten zu wollen«, sagte Judith ernst. »Frauen erkennen solche Dinge, musst du wissen.«
»Genauso wie sie einen Narren erkennen, wenn sie einen sehen, und der war ich, wenn es um sie ging.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es nur meiner Dummheit und der jugendlichen Leidenschaft zuschreiben. Belassen wir es dabei, dass eines zum anderen führte. Eines Tages stahlen wir uns vor Sonnenaufgang aus der Stadt und ließen uns trauen, eine knappe Stunde, bevor ihr aufgebrachter Vater und der nicht minder aufgebrachte Verlobte erschienen.« Nach einem bitteren Lachen fuhr er fort: »Ich kann dir sagen, der Mann war kein bisschen reserviert mehr, was seine Gefühle betraf.«
»Heute kannst du darüber lachen?«
»Ja, kann ich wohl.« Es überraschte ihn selbst, hatte er sich doch nie vorstellen können, dieses Erlebnis mit Humor zu nehmen. »Das Ganze war eine rundum perfekte Farce: rasend wütender Vater, gekränkter Verlobter, liebliche, aber verschlagene Unschuld und ahnungsloser, hoffnungsloser Bauernbursche.«
»Auf der Bühne oder rückblickend betrachtet, ist es gewiss amüsant,
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