Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
aber in dem Augenblick, da man selbst in der Situation ist, hat sie nichts Witziges.«
»Wohl wahr. Wenn man alles für eine Frau riskiert, die man liebt, und dann erfährt, dass die fragliche Dame nicht nur die eigenen Gefühle nicht erwidert, sondern man von ihr auch noch benutzt wurde, um die Gefühle eines anderen Mannes zu entfachen, nun, das kann recht verwirrend sein.«
»Verwirrend?«
»Verwirrend«, bestätigte er sachlich. Er war nicht gewillt, Ausdrücke wie niederschmetternd, verletzend oder vernichtend zu verwenden. All das war es gewesen, und es hatte ihm das Herz gebrochen, doch heute war es bloß noch Geschichte und erstaunlich unbedeutend. Mit den Jahren hatte er seine katastrophale Kurzehe hinter sich gelassen, ohne es bewusst zu beabsichtigen, wie er jetzt feststellte. Sein Leben ging weiter, und das war eine überraschende, und höchst befriedigende Erkenntnis. »Die Ehe wurde unverzüglich annulliert, sie heiratete den Mann, den sie die ganze Zeit heiraten wollte, und ich durchlebte für eine Weile meine selbst gemachte Hölle.«
»Verstehe.« Sie schwieg einige Minuten, ehe sie sagte: »Mehr oder minder genauso hat es auch deine Tante erzählt.«
»Vermutlich genauer und weniger spannend.«
»Eigentlich nicht.«
»Also, der Fairness halber darfst du jetzt erzählen.«
»Was?«
»Du bist dran, mir von deiner Vergangenheit zu erzählen, von deiner Ehe.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich wuchs ziemlich behütet auf, reichlich verwöhnt wohl auch. Mit knapp siebzehn Jahren, ich war gerade erst in die Gesellschaft eingeführt worden, lernte ich Lucian, Lord Chester, kennen. Er war nur wenig älter als ich, umwerfend gut aussehend und schrecklich romantisch. Ich war sofort hin und weg von ihm. Nachdem wir uns zwei Wochen kannten, heirateten wir. Meine Eltern starben im Jahr darauf, mein Ehemann zwei Jahre später. Er hatte eine Schwester, ich hingegen keine anderen Verwandten.« Sie zuckte mit den Schultern. »Mehr gibt es da nicht zu sagen.«
Sie betete es so ungerührt und emotionslos herunter, dass er stutzte. Wie seltsam. Judith war keine gefühllose Frau. »Komm schon, Judith, da muss es doch mehr geben.«
»Eigentlich nicht.« Sie setzte sich auf und stieg aus dem Bett.
»Wo willst du hin?«
»Nirgends.« Er beobachtete, wie sie dieses Rüschenmonstrum aufnahm, das sie einen Morgenmantel nannte, und sich darin einhüllte. »Aber du gehst.« Sie schaltete das Licht an und warf ihm ein freundliches Lächeln zu, als hätten sie einen Spaziergang im Park hinter sich anstelle eines Abends voller Sinnlichkeit. »Es ist sehr spät, vielmehr sehr früh, und du solltest lieber langsam aufbrechen.«
Er richtete sich auf und starrte sie an. »Du schickst mich fort, weil du nicht über deine Vergangenheit reden willst?«
»Sei nicht albern.Ich schicke dich fort, weil es beinahe Tag wird. Und es ist für alle Beteiligten besser, wenn niemand dich kommen und gehen sieht.«
»Ich würde meinen, deine Bediensteten sind daran gewöhnt, dass Gentlemen zu allen erdenklichen Zeiten kommen und gehen«, sagte er, bevor er richtig darüber nachgedacht hatte.
»Das sind sie fürwahr«, erwiderte sie kühl. »Ich dachte auch eher an deine Bediensteten sowie an deine Tante. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie wartet, bis du nach Hause kommst.«
»Judith.« Er stand auf, nahm seine Hose und zog sie sich hastig über. »Ich meinte nicht...«
»Ich weiß genau, was du meintest, Mylord«, unterbrach sie ihn achselzuckend. »Und es tut im Moment überhaupt nichts zur Sache.«
»Tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht.«
»Wäre die Situation anders herum...« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Würde ich eine Bemerkung zu deinen... Abenteuern machen, wärst du nicht beleidigt. Also warum sollte ich es sein?«
»Nun, solltest du nicht, natürlich nicht. Dazu besteht kein Grund.« Er streifte sich das Hemd über den Kopf. »Obwohl du eine Frau bist.«
»Ich dachte mir bereits, dass dir das auffiel. Was deiner Aufmerksamkeit hingegen entgangen sein dürfte, ist, dass mein Besitz ebenso groß ist wie deiner und mein Vermögen sogar noch ein klein wenig größer. Hinzu kommt, dass wir beide keine große Verwandtschaft haben, ungefähr gleich alt sind und, wie ich unbescheidenerweise behaupten möchte, gleich attraktive Vertreter unseres jeweiligen Geschlechts sind. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Unsere Lebensumstände sind sich erstaunlich ähnlich, weshalb man uns auch
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