Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
mag.« Er überlegte einen Moment. »Du solltest darüber hinaus einsehen, dass ich nicht mehr derselbe Mann bin wie vor neun Jahren. Ich bin älter und, so Gott will, weiser. Was auch passiert, es wird mir nicht das Herz brechen. Das lasse ich nicht zu.«
»Du bist ein arroganter Mann, Gideon Pearsall, genau wie dein Vater und wie sein und mein Vater«, stellte sie kopfschüttelnd fest. »Deine Arroganz wird ebenso dein Ruin sein, wie es die ihre für sie war.«
Gideon lachte. »Mein Großvater starb in seinem Bett, noch dazu in einem recht eindrucksvollen Alter, und mein Vater erlag einer Influenza. Für keinen ließe sich Arroganz als Ursache ausmachen.«
Sie rümpfte die Nase. »Es war nur eine Frage der Zeit.«
»Mir schien, als würdest du glauben, dass eine Frau mein Ruin wäre«, sagte er verwundert.
»Das ist ein und dasselbe, Gideon, ein und dasselbe.«
Es war sinnlos, mit dieser Frau argumentieren zu wollen. Die einzige Meinung, die sie gelten ließ, ganz gleich, worum es ging, war ihre eigene. Höchste Zeit, dass sie diese Diskussion beendeten, zumindest für heute Nacht. Gideon machte sich nicht vor, dieses Thema auf sich beruhen lassen zu können, denn das wäre bei Tante Louisa ausgeschlossen.
»Dieses Gespräch wird ermüdend, Tante.« Gideon leerte sein Glas und stellte es auf den Schreibtisch. »Und angesichts der sehr fortgeschrittene Stunde sollten wir beide ins Bett gehen.«
»Ich wage zu behaupten, dass du bereits...«
»Ja?«, fragte er mit einem warnenden Unterton.
»... viel zu lange auf bist«, beendete Tante Louisa ihren Satz unschuldig lächelnd. Es war ein gefährliches Lächeln, bei dem es Gideon jedes Mal in den Fingern kribbelte, sie auf der Stelle zu erwürgen. Ihr viel zu unschuldiges Lächeln nämlich war eine Waffe, gegen die er sich nicht verteidigen konnte, und als solche höchst ärgerlich. Abgesehen davon, machte es bisweilen beinahe Spaß, sich mit seiner Tante zu streiten. »Schlaf gut, Gideon.«
»Tante Louisa.« Er nickte, drehte sich um und verließ die Bibliothek.
»Wusstest du, dass du ein Loch in der Hose hast?«, rief sie ihm nach. »Dagegen solltest du etwas unternehmen. Es ist ganz und gar nicht...«
Er ignorierte ihren Vortrag und stieg die Treppe hinauf. Natürlich wusste er, dass er ein Loch in seiner verfluchten Hose hatte. Und selbst wenn nicht, würde er es spätestens an dem kalten Luftzug merken, der ihm hinten übers Bein strich. Aber das war die Sache wert gewesen. Eine kaputte Hose war ein verhältnismäßig geringer Preis für einen wahrhaft fantastischen Abend. Nun gut, es hatte einige schwierige Momente gegeben, als Judith sich weigerte, über ihre Vergangenheit zu reden. Er hatte noch keine Frau gekannt, die so entschlossen war, nicht über ihr Leben zu sprechen, was umso erstaunlicher war, als sie allem Anschein nach kaum etwas zu verbergen hatte. Offensichtlich war Judith nicht das offene Buch, das sie zu sein behauptete. Vielleicht hatte Helmsley recht. Vielleicht stimmte mit ihrem Mann und ihrer Ehe etwas nicht.
Gedankenverloren öffnete er die Tür zu seinen Gemächern und trat hinein, wie immer dankbar, dass er mit seinem Kammerdiener bereits vor langer Zeit eine feste Vereinbarung getroffen hatte: Falls er zu sehr vorgerückter Stunde heimkehrte und sein Diener nicht von Gideons lautstarker Ankunft geweckt würde, die ein Indiz dafür wäre, dass er viel zu viel getrunken hatte und mithin außerstande war, sich selbst zu entkleiden, blieb der Kammerdiener in seinem Zimmer. Noch dankbarer war Gideon dafür, dass die Gemächer seiner Tante im gegenüberliegenden Flügel des Hauses lagen.
Die weiseste und einfachste Vorgehensweise wäre die, sich Judiths Wunsch zu fügen und die Vergangenheit auf sich beruhen zu lassen. Zudem interessierte sich Gideon sonst ja auch nicht für die Lebensgeschichten von Frauen. Warum also jetzt auf einmal? Er konnte es sich nicht erklären, und es war ihm auch gleich. Er wollte einfach alles über sie wissen. Wahrscheinlich war es pure Neugier, eine natürlich menschliche Regung, Geheimnisse lüften zu wollen, die sich andeuteten. Sonst nichts.
Andere würden ihm wohl kaum zustimmen. Die Tiraden seiner Tante waren lästig, aber ebenso waren es die Beteuerungen aller anderen um ihn herum, dass sein Herz von Judith oder ihres von ihm gebrochen würde. Teufel noch mal, er hatte kein Interesse an Liebe! Und Judith auch nicht, das hatten sie beide bereits zu Anfang geklärt. Oder nicht? Doch. Zwar hatten
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