Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
er sich überhaupt nicht interessierte, nur um sie glücklich zu machen. Das war kaum zu glauben und ziemlich, ja, ziemlich wundervoll. Noch viel weniger zu glauben allerdings war, dass sie zum ersten Mal seit einer kleiner Ewigkeit, nun ja, glücklich war. Nicht dass sie in den letzten Jahren besonders unglücklich gewesen wäre, aber das hier war anders. Das war... Glückseligkeit. Kaum war sie sich des Gefühls gewahr geworden, ermahnte sie sich im Stillen, sich unter keinen Umständen daran zu gewöhnen. Sie würde es einfach genießen, solange es andauerte.
»Setz einfach dein charmantes Lächeln auf«, sagte sie mit einem vielsagenden Schmunzeln, »und denk an Spanien.«
Bei Gott, Gideon hätte gewettet, dass es nichts Öderes gab, als der ausnahmslos untalentierten Verwandtschaft von Lady Dinsmore bei ihren Darbietungen von schlechter Poesie und noch schlechterem Gesang zu lauschen! Die Wette hätte er verloren.
Für einen Moment stand er allein da, nippte an einem Glas, dessen Inhalt unter der hochtrabenden Bezeichnung »Punsch« angeboten wurde, und beobachtete Judith, die sich anmutig durch den erstaunlich vollen Empfangssaal bewegte. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass das Interesse an Pflanzen auf dieser Welt so weit verbreitet war, geschweige denn in London. Hier waren sogar einige Leute, die er kannte. Heimliche Botaniker, offensichtlich.
Das eigentliche Überraschungselement des Abends jedoch war Judith selbst. Zwar war ihm ihre Leidenschaft für ihren Wintergarten und ihre Orchideen bekannt, aber er hatte nicht gewusst, wie viel Fachwissen sie besaß. Hier hingegen hatte er miterlebt, wie sie sich mit den Gentlemen unterhielt, die augenscheinlich Experten war, und denen sie mit ihrer Kenntnis der Materie ohne Weiteres das Wasser reichen konnte. Und diese Gentlemen hatten, was beinahe noch erstaunlicher war, nicht auf ihren weiblichen Charme angesprochen, sondern waren von ihrem Wissen verzückt gewesen. Ihre Klugheit war Gideon keineswegs entgangen, doch jetzt stellte er fest, dass er bisher nicht ansatzweise ermessen hatte, wie gebildet sie tatsächlich war. Auch wenn sie es geschickt verbarg, die Frau war eine verdammte Expertin. Unweigerlich brachte ihn das zu der Frage, was sie sonst noch verbergen mochte.
»Für Uneingeweihte ist es recht öde«, bemerkte ein älterer Herr neben Gideon.
»Der Punsch entschädigt für manches.« Gideon lächelte den Mann an. »Lord Thornecroft, habe ich recht?«
»Sehr gut, Warton. Ist schon lange her«, sagte der Earl of Thornecroft lachend. »Seit diese Schauspielerin...«
»Ja, ist es«, fiel Gideon ihm rasch ins Wort. Thornecroft war ein liebenswerter Kerl mit einem Faible für Damen vom Theater. Seine und Gideons Wege hatten sich in der Vergangenheit gekreuzt, aber die Details ihrer Bekanntschaft blieben besser ausgespart. »Ich wusste gar nicht, dass Sie sich für Orchideen interessieren.«
»Ach, ich bin von allen möglichen Arten exotischen Pflanzenlebens fasziniert. Mein besonderes Interesse gilt der alten ägyptischen und der tropischen Flora. Allerdings weiß kaum jemand von diesem meinem Steckenpferd, was mir sehr recht ist.« Der ältere Gentleman grinste. »Wär nicht schön, wenn bekannt würde, dass ich ein verstaubter Gelehrter bin. Könnte mir meinen Ruf verderben.«
Gideon lachte.
»Nichts könnte diese Reputation verderben.« Judith kam zu ihnen, schenkte Thornecroft ein freundliches Lächeln und reichte ihm die Hand. »Wie ich hörte, ist sie wohlverdient.«
»Sie wäre umso verdienter«, erwiderte Thornecroft, küsste ihr die Hand und lächelte sie verschmitzt an, »wenn sich mir mehr Gelegenheiten böten.«
Judith lachte und erklärte Gideon: »Er verbirgt es tatsächlich, aber Seine Lordschaft gilt als Experte für die Flora im alten Ägypten.«
Thornecroft tat es mit einem bescheidenen Schulterzucken ab. »Nichts weiter als ein Hobby.«
»Niemand außer Ihnen würde es als Hobby bezeichnen. Lord Thornecroft half mir sehr, als ich anfing, die Pflanzen für meinen Wintergarten zusammenzustellen.« Dabei lächelte Judith den älteren Mann voller echter Zuneigung an. Gideon empfand etwas, das sich verdächtig nach Eifersucht anfühlte. Er ignorierte es.
»Sie hat sich selbst zu einer recht überzeugenden Expertin gemausert«, erwiderte der Lord, sichtlich stolz und zugetan. »Ihre Sammlung wie auch ihr Wissen sind höchst beeindruckend.«
»Ja, das fiel mir auf«, murmelte Gideon. Seine Eifersucht war vollkommen absurd.
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