Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
sah wieder zu dem frisch vermählten Paar. »Sie sehen ausgesprochen glücklich aus, nicht wahr?«
»Ist das jetzt Selbstzufriedenheit oder Eifersucht?«, fragte er im Scherz.
»Oh, ich bin eindeutig stolz auf die Rolle, die ich dabei spielte. Und was Eifersucht betrifft, mag sein, oder zumindest empfinde ich einen gewissen Neid.« Eine Andeutung von Sehnsucht schwang in ihrer Stimme mit, doch Gideon konnte sich auch irren. Er widerstand dem Wunsch, sie gleich hier vor Violet und allen anderen in die Arme zu nehmen und zu küssen, bis aus schmerzlicher Sehnsucht pures Verlangen wurde. »So verliebt zu sein, dass man nachgerade vor Glück leuchtet wie ein Lichtstrahl im Dunkeln, und zu wissen, dass einem diese Liebe für den Rest des Lebens den Weg erleuchtet. Das kann fürwahr Neid wecken.«
»Sie können sich glücklich schätzen, einander gefunden zu haben«, murmelte er und stellte fest, dass er ebenfalls neidisch war. Ohne Vorwarnung kam ihm der Gedanke, dass er es gar nicht sein musste. Vielleicht brauchte er keine Entscheidung bezüglich seiner Beziehung mit Judith zu treffen, weil er sie längst getroffen hatte. Vielleicht musste er sie sich nur noch selbst eingestehen. Und natürlich auch ihr mitteilen.
Hinter ihm räusperte sich jemand. »Lady Chester? Judith?«
Gideon drehte sich um und sah einen hellhaarigen Mann, ein wenig kleiner als er, der Judith leicht schief anlächelte.
»Harry!« Judith schenkte dem Neuankömmling ein liebenswertes Lächeln und reichte ihm die Hand. »Was für eine wunderbare Überraschung! Zuletzt hörte ich, dass du den Orient bereist.«
»Das tat ich auch.« Harry lachte leise. »Aber jetzt bin ich wieder zu Hause und bleibe hier.«
»Wie schön! Ich weiß, dass man dich schmerzlich vermisst hat. Kennt ihr euch?«, fragte Judith und zog ihre Hand zurück, die Harry sichtbar widerwillig freigab.
»Nur vom Hörensagen.« Harry nickte Gideon kurz zu. »Lord Warton, nicht wahr?«
»Der bin ich.« Gideon rang sich ein höfliches Lächeln ab. Er wusste nicht, warum, aber er mochte diesen Mann nicht. Vor allem mochte er die Art nicht, wie er Judith ansah – als wäre sie eine Platte voller köstlicher Roastbeefs und er hätte seit Jahren kein richtiges Fleisch mehr bekommen. »Und Sie sind?«
»Lord Warton, darf ich dir Lord Mountford vorstellen?«, sagte Judith. »Lord Mountford ist ein sehr alter Freund.«
»Ein sehr guter Freund«, fügte Lord Mountford nachdrücklich an.
»Ja, du hast natürlich recht. Ein alter und guter Freund.« Judith lachte, und das gefiel Gideon auch nicht.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich sie Ihnen für einen Tanz entführe?« Mountfords Worte richteten sich an Gideon, doch dessen Blicke klebten buchstäblich an Judith. »Wir haben eine Menge aufzuholen.«
Und ob es mir etwas ausmacht!
Judith sah ihn fragend an. »Gideon?«
»Nein, selbstverständlich nicht«, sagte Gideon höflich.
»Hervorragend.« Mountford strahlte und bot Judith seinen Arm an.
Judith warf Gideon einen neugierigen Blick zu, als wüsste sie genau, was in ihm vorging. Dann legte sie die Hand auf Mountfords Arm und erlaubte ihm, sie auf die Tanzfläche zu führen. Und das gefiel Gideon noch viel weniger als alles andere.
Verdammt noch mal, er war eifersüchtig. Eifersüchtig! Auf diesen alten Freund . Auf diesen sehr guten alten Freund . Das und nichts anderes war es: schlichte, pure Eifersucht. Er erinnerte das Gefühl vage aus jener Zeit, als er sich einbildete, Violet zu lieben. Es war auf einem ähnlichen Ball wie dem heutigen gewesen, und er entsann sich, wie hässlich, wie beklemmend dieses Gefühl ihn heimsuchte, als sie mit ihrem Verlobten tanzte. Trotzdem war das hier etwas vollkommen anderes. Er war nicht eifersüchtig, weil Judith mit einem anderen tanzte, auch wenn es ihm nicht sonderlich behagte. Vielmehr war er eifersüchtig, weil ein anderer Mann eine gemeinsame Vergangenheit mit ihr teilte, die Gideon nicht kannte.
»Ach, du liebe Güte, wie ich sehe, komme ich zu spät.« Lady Dinsmore trat neben ihn und blickte auf die Tanzfläche.
»Zu spät, wofür?«, fragte Gideon zögernd.
»Um Judith zu warnen natürlich.«
»Um Judith wovor zu warnen?«
»Nun, dass Lord Mountford hier ist. Sie hat ihn seit Jahren nicht gesehen, müssen Sie wissen.«
»Offensichtlich«, meinte Warton trocken. »Sie sind sehr alte Freunde.«
»Ich schätze, man kann ihn als Freund bezeichnen.« Lady Dinsmore überlegte kurz. »Ja, Freund wäre angemessen, würde ich
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