Zauber einer Karibiknacht
sie nicht erwartet hatte. Und auch nicht wollte.
„Ach, nichts“, antwortete sie verlegen. Es war nun wirklich nicht der richtige Augenblick, dem Mann, den sie gerade geheiratet hatte, von Steven zu erzählen. „Es ist alles in Ordnung.“
„Gut, dann setz dein schönstes Lächeln auf. Sonst fragen sich die Leute noch, warum du mich überhaupt geheiratet hast.“
Sein Scherz amüsierte sie, und das Lächeln fiel ihr etwas leichter. Versonnen betrachtete sie den Ring an ihrer Hand, der im Licht funkelte. „Den Ring hast du wirklich gut ausgesucht.“
„Freut mich, dass er dir gefällt. Ich habe ihn aus einem Juweliergeschäft in der Stadt. Die Steine sind die gleichen, die du auch als Ohrringe hast.“
„Tesoro-Topas“, sagte sie lächelnd.
„Ja, genau.“ Wieder drehte er sie im Takt der Musik. „Ich dachte, das wäre passend.“
„Es ist sogar perfekt“, versicherte sie ihm schmunzelnd.
„Dann habe ich’s ja richtig gemacht.“ Die Musik verstummte, und widerwillig beendete Sean den Hochzeitstanz. Er sah Melinda tief in die Augen und lächelte verführerisch. Ihr Herz pochte wild.
Wieder applaudierten die Gäste, aber weder Sean noch Melinda nahmen es richtig wahr. Sie standen auf der leeren Tanzfläche, und ihre Blicke verschmolzen.
Fremde, die sich doch nahe waren.
„Küsst euch!“, rief jemand aus der Menge.
Zuerst war es nur ein Rufer gewesen. Dann rief es noch ein anderer, dann immer mehr: „Küsst euch! Küsst euch!“ Schließlich wurde es ein fordernder skandierender Gesang, der den gesamten Ballsaal des Hotels erfüllte: „Küsst euch! Küsst euch!“
„Wir … wir müssen es nicht tun“, flüsterte Melinda Sean zu.
„Natürlich müssen wir“, erwiderte er lächelnd. „Es soll doch alles echt aussehen, oder?“
„Na ja – aber wir haben uns doch schon zum Abschluss der Trauungszeremonie geküsst.“
„Ja, kurz und würdevoll, weil das Zeremoniell es so verlangt hat“, gab er zurück und kam ihr mit den Lippen ganz nahe. „Aber ein richtig leidenschaftlicher Kuss war das nicht. Wenn wir die Leute überzeugen wollen, wenn wir ihnen eine gute Show bieten wollen, müssen wir schon etwas mehr Feuer hineinlegen.“
Melinda schloss die Augen, und er küsste sie. Voller Temperament und Leidenschaft. Ihr wurde heiß und kalt, und ihr Atem ging schneller. Das hatte sie nicht erwartet. Es war nur ein Kuss – und doch so viel mehr …
Sie bekam kaum mit, wie die Gäste jubelten. All ihre Konzentration lag in diesem Kuss, der sie geradezu elektrifizierte. Sie spürte Seans Zunge, umschmeichelte sie mit ihrer …
In diesem Moment spielte es keine Rolle, dass sie Fremde waren, die außer einer geschäftlichen Abmachung nichts verband. Es spielte keine Rolle, dass sie ihren neuen Ehemann eigentlich gar nicht hatte küssen wollen. Nur eines zählte: das, was er mit ihr tat. Was sie dabei empfand.
So etwas hatte sie noch nie erlebt. Er hielt sie so fest umschlungen, dass sie kaum Luft bekam, aber es war ihr egal. Wie ist das nur möglich? fragte sie sich. Wie konnte sie so empfinden, so erregt sein, obwohl sie ihn kaum kannte? Obwohl er nicht Steven war?
Steven. Als sein Gesicht vor ihrem inneren Auge erschien, erlosch das Feuer schlagartig. Sie zog den Kopf zurück und sah Sean voller Erstaunen an. Es beruhigte sie kaum, dass sein Blick dieselbe Verblüffung widerspiegelte.
„Das nenne ich mal einen richtigen Hochzeitskuss!“, rief ihr Großvater begeistert.
Sean legte ihr den Arm um die Schulter und blickte freundlich in die Menge der Gäste. Er gab sich betont lässig, aber Melinda fühlte, wie sein Herz heftig pochte. Der Kuss hatte ihn eindeutig genauso erregt, genauso fasziniert wie sie. Und das bedeutete … Ja, was eigentlich?
Er hatte sich mit ihrer Bedingung, keinen Sex zu haben, einverstanden erklärt. Ob er jetzt glaubte, dass dieser eine atemberaubende Kuss sie umstimmen würde?
Würde er sie umstimmen?
Nein. Auf keinen Fall.
Sie bekam eine Gänsehaut, als er ihren Arm streichelte, lächelte aber tapfer in die Menge. Er hatte ja recht. Sie mussten ihre Rollen spielen.
„Wir möchten Ihnen allen danken, dass Sie gekommen sind“, sagte Sean feierlich. „Das bedeutet Melinda und Walter sehr viel.“
Die Gäste jubelten erneut, und wieder erklang Musik, diesmal rockigere Klänge. Walter Stanford kam auf die beiden zu und reichte Sean die Hand.
„Eine gute kleine Ansprache“, lobte er, „kurz und knackig.“ Dann wandte er sich an Melinda. „Du
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