Zauber einer Karibiknacht
wie immer. Sie fragte sich, ob es überhaupt eine Situation gab, in der er nicht so wirkte, als wäre er der Chef von allem.
Er trug ein schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans, was ihn noch gefährlicher wirken ließ als sonst – und das wollte etwas heißen. Weil er mit dem Rücken zu ihr stand, konnte sie ihn eingehend bewundern, ohne dass er es merkte. Schließlich brauchte er nicht zu wissen, dass sie sich mehr und mehr zu ihm hingezogen fühlte.
Ja, sie fühlte Schmetterlinge im Bauch, und das schon seit einiger Zeit. Sein breiter Rücken, die schmalen Hüften und langen Beine – einfach zum Anbeißen! Als sie bemerkte, dass er barfuß war, fand sie das besonders sexy.
Sean King war die Versuchung auf zwei Beinen.
Die vergangene Woche war wunderschön gewesen. Seit dem Nachmittag auf dem Baugelände hatten sie jeden Tag gemeinsam verbracht. Er hatte sie zum Lachen gebracht, sie um ihre Meinung zum Hotelentwurf gebeten und ihr ganz allgemein das Gefühl gegeben, wichtig zu sein. Geradezu lebensnotwendig.
Er hörte ihr interessiert zu, wenn sie etwas erzählte, unterhielt sie im Gegenzug mit Geschichten über seine Familie – und nachts, wenn sie in getrennten Zimmern schliefen, erschien er ihr im Traum, verführerisch, verlockend …
Gerade das löste Schuldgefühle in ihr aus. So sehr es sie schmerzte, es sich einzugestehen – die Gefühle, die sie für Sean hegte, hatte sie für Steven nie empfunden. Verglichen mit Sean war Steven irgendwie … ohne Tiefgang gewesen. Immer noch kam es ihr wie Verrat vor, so etwas auch nur zu denken, aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, traf es der Ausdruck sehr gut. Mit Steven hatte sie nie über ernste Themen gesprochen, nie über die Zukunft und was sie bereithalten mochte. Es war immer nur um den Augenblick gegangen.
Sicher, das war durchaus aufregend gewesen, aber …
Sean wandte sich zu ihr um, und ihre Augen trafen sich. Als er sie herzlich anlächelte, fühlte sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Sie sträubte sich nicht einmal mehr gegen dieses Gefühl. Es war einfach schön, Zeit mit ihm zu verbringen. Sie genoss die Situationen, wenn er ihre Hand ergriff oder ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Unglaublich schnell hatte sie sich daran gewöhnt, dass er da war. An ihrer Seite.
Der Gedanke, dass diese Ehe schon in ein paar Wochen enden würde, hatte jetzt nichts Befreiendes mehr an sich, sondern eher etwas Bedrohliches.
„Na, wieder am Grübeln?“, fragte er.
„Nein“, antwortete sie, obwohl das nicht stimmte.
„Gut. Der Tag ist viel zu schön, um ihn mit Grübeln zu vergeuden. Komm doch zu mir auf die Brücke.“
Sie folgte seiner Aufforderung. Die Corazon kannte sie genauso gut wie ihre Suite im Hotel. Gewissermaßen war sie auf der Motorjacht groß geworden. Ihr Großvater liebte dieses Schiff. Segeln war nie sein Fall gewesen – er sagte immer, dass er lieber Gas gab, statt im Zweifelsfall auf günstige Winde warten zu müssen.
Deshalb besaß die Jacht einen besonders leistungsstarken Motor und glitt durch die Gewässer wie ein heißes Messer durch Butter.
„Das Schiff ist wirklich klasse“, lobte Sean und drehte das Steuerrad, um dem kurvigen Verlauf der Insel zu folgen.
„Als ich ein kleines Mädchen war, hat mein Großvater mich sehr oft mit auf die Jacht genommen. Das hat mir immer gut gefallen.“
„Kein Wunder“, erwiderte er und behielt dabei den Kurs fest im Blick. Das war auch so etwas, das ihr gut an ihm gefiel. Dass er sich immer voll auf das konzentrierte, was gerade wichtig war. Besonders schön fand sie es natürlich, wenn er seine Aufmerksamkeit ihr widmete.
„Schiffe wie dieses werden heutzutage kaum noch gebaut“, merkte er an und strich liebevoll mit der Hand über die holzverkleidete Instrumententafel. „Die meisten Hersteller verwenden Fiberglas und so neumodisches Zeug.“ Er lächelte sie an. „Übrigens hat mein Bruder Decker eine Firma, die solche Schiffe baut. ‚Richtige‘ Schiffe, wie er sie nennt. Luxusjachten wie diese. Die hier würde ihm gefallen. Sie ist geradezu … sexy.“
Ich weiß noch was, was sehr sexy ist, dachte sie. Aber das ist keine Jacht.
Sie sah ihm zu, wie er das Boot in eine bewaldete Bucht steuerte. Dann ging er vor Anker.
In den Bäumen hörten sie die Vögel zwitschern. „Du bist wirklich ein guter Skipper“, lobte sie ihn. „Du hast ja erzählt, dass du jetzt am Strand wohnst, aber bist du auch am Wasser aufgewachsen?“
„Im Gegenteil“,
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