Zauber-Schloss
hatte geglaubt, daß er nur ein Geheimnis der Gegenwartswelt hatte entdecken sollen, und nun erwies sich seine Aufgabe als viel schwieriger. In dieses Bild wirklich hineinzugehen – »Ich brauche noch etwas Zeit, ich muß erstmal meine Beine strecken, ich muß –« Er mußte sich doch erst einmal entscheiden, ob er dieser Herausforderung gewachsen war. Vielleicht –
Doch Grundy hatte die Verpackung bereits aufgerissen. Gelber Dampf trat hervor, verteilte sich in der Luft und bildete eine kleine Wolke.
»Ich weiß doch noch nicht einmal, welchen Körper im Wandteppich ich –«
Da umhüllte ihn auch schon der sich ausdehnende Nebel. Dor merkte, wie er schwankte und fiel, ohne zu fallen. Einen Augenblick lang sah er seinen Körper, wie er dort dumm herumstand, mit zerzaustem Haar und aufgesperrtem Mund. Dann kam auch schon der riesige Wandbehang auf ihn zu und wurde immer größer. Ein Insekt krabbelte darauf herum, dann war auch das verschwunden. Dor erblickte einen Teil des gewobenen Dschungels, in dem ein muskulöser Mann stand und mit erhobenem riesigen Schwert gegen etwas –
3
Hüpfer
Dor stand kampfbereit da, die Klinge seines treuen Schwerts entblößt. Die Kobolde wichen furchtsam zurück, bevor er sie genau betrachten konnte. Er hatte noch nie zuvor echte Kobolde gesehen. Es waren kleine, verwachsene und häßliche Gestalten mit übergroßen Köpfen und ebenso unproportionierten Händen und Füßen.
Kobolde? Aber natürlich hatte er sie noch nie gesehen. Seit Jahrhunderten hatten sie sich nur noch selten bei Tageslicht an die Oberfläche gewagt! Sie hielten sich in den unterirdischen Höhlen versteckt und scheuten das Licht.
Oh – das hier war ja gar nicht mehr die Gegenwart! Das hier war der Wandteppich, der die Welt darstellte, wie sie vor achthundert Jahren gewesen war. Also konnte es hier auch noch Kobolde geben, freche, trotzige Kobolde, die sich nicht vom Licht der Sonne einschüchtern ließen.
Aber was war dann mit ihm selbst? Was für einen Körper – ach ja, der riesige kräftige junge Mann. Dor hatte noch nie zuvor über soviel körperliche Kraft auf einmal verfügen können. Das massive Schwert fühlte sich in seinen Händen äußerst leicht an, obwohl er doch wußte, daß er es mit seinem normalen Körper nur mit Mühe beidhändig hätte schwingen können. Das hier war genau die Art von Körper, von dem er immer geträumt hatte!
Irgend etwas stach ihn am Kopf. Dor klatschte mit der Hand danach und war kurze Zeit wie betäubt, doch er erwischte es nicht. Es hatte sich allerdings wie eine Laus oder wie ein Floh angefühlt. Er hatte keine Antiflohzauber dabei. Schon machten sich also die Nachteile des primitiven Lebens bemerkbar.
Der Urwald war nicht weit entfernt. Die grobblättrigen Bäume bildeten eine undurchdringlich wirkende, massive grüne Wand. Es waren weniger magische Pflanzen zu sehen, als er sie gewöhnt war. Diese hier glichen eher mundanischen Bäumen. Was ja auch einleuchtete: In dieser Zeit hatte sich die Natur Xanths noch nicht so weit von Mundania fortentwickelt. Evolution – der Zentaurenlehrer hatte ihn darin unterrichtet, wie sich magische Lebewesen zu noch magischeren Lebewesen entwickelt hatten, um bessere Überlebenschancen zu haben.
Als er sich umdrehte, erblickte er etwas im Augenwinkel. Dor wirbelte herum – und merkte, daß es nicht sein Schwert gewesen war, das die Kobolde verjagt hatte. Hinter ihm stand eine riesige Spinne – so groß wie ein Mensch.
Dor dachte nicht länger an all die lauernden Kobolde. Er hob das große Schwert und stellte fest, daß er es mit geübter Leichtigkeit handhabte. Er besaß jetzt den durchtrainierten Körper eines Kriegers, dessen Muskelkraft noch durch Erfahrung und Geschicklichkeit ergänzt wurde. Das war auch ganz gut so, denn Dor selbst war kein Schwertkämpfer. Hätte sein Körper nicht ausgezeichnete Reflexe gehabt, er hätte sich womöglich selbst zerstückelt.
Die Spinne reagierte ähnlich. Sie hatte zwar kein Schwert bei sich, aber das brauchte sie wohl auch kaum. Sie besaß acht haarige Beine und zwei riesige grüne Augen – nein, vier Augen, zwei große und zwei kleine – nein, es waren mindestens sechs, die überall auf ihrem Kopf verteilt waren. In ihrer Schlundöffnung waren zwei einwärts gekehrte Fangzähne zu erkennen, und daneben ragten zwei Maulbeine heraus. Das Geschöpf ließ an Schrecklichkeit wirklich nichts zu wünschen übrig. Und jetzt schickte es sich an, sich auf Dor zu stürzen.
Außerdem
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