Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
Hilfe.« Sie nahm den Poncho ab und hängte ihn über einen
der Stühle. Darunter trug sie eine schlichte, weit geschnittene helle Bluse. Sie
betrachtete neugierig das Bühnenbild, in dem sie am Donnerstag als neue Königin
der Nacht erscheinen sollte.
»Sie müssen
mir bei nächster Gelegenheit unbedingt verraten, was Sie mit dem möglichen Kandidaten
für meine Mutter gemeint haben«, raunte der Assistent Merana zu und verabschiedete
sich. Vielleicht lieber doch nicht, überlegte Merana. Er hatte eine Mordermittlung
zu führen. Da war er in seinem Metier. In der Rolle des Heiratsvermittlers, wie
der schlitzohrige Kezal in der Oper ›Die verkaufte Braut‹ einer war, gab er garantiert
keine gute Figur ab. Er folgte dem Intendanten auf dem Weg nach draußen.
Er beschloss, den Weg zurück ins
Büro zu Fuß zu gehen. Die halbe Stunde Bewegung würde ihm gut tun. Dabei könnte
er auch über alle bisherigen Details des Falles nachdenken. Außerdem liebte es Merana,
durch die Innenstadt von Salzburg zu schlendern. Schon während seines Studiums,
als er in einem Studentenheim am Stadtrand wohnte, hatte er seine Tagesabläufe so
organisiert, dass er möglichst viel Zeit in den Gassen und Galerien, auf den Plätzen
und Wegen der Altstadt zu beiden Seiten der Salzach verbringen konnte. Er fühlte
sich immer noch wie ein Gast an diesem Ort, auch nach über 20 Jahren, seit er von
seiner gebirgigen Heimat im Pinzgau in die Landeshauptstadt gekommen war. Er hatte
sich den wachen Blick eines Kindes bewahrt, das immer noch über die Schönheiten
der Stadt entzückt war. Über den Anblick der Burg hoch über den Häusern. Über den
kleinen Schrägaufzug, der zu dieser Festung hinaufführte und von Weitem aussah wie
eine Spielzeugbahn. Über die Brunnen und Innenhöfe. Über die Fiakerpferde, die gemächlich
Scharen von fröhlichen Touristen über das Pflaster der Altstadt zogen.
Eine Gruppe
von Italienerinnen kam ihm entgegen. Er hatte die große Tribüne erreicht, die den
ganzen Sommer über vielen Tausenden Besuchern Platz bot, um die Jedermann-Aufführungen
vor der Kulisse der mächtigen Fassade der Kathedrale zu erleben, da bemerkte er
eine große Menschenansammlung bei den Bögen, die vom Domplatz zum Kapitelplatz führten.
Er näherte sich neugierig und versuchte mitzubekommen, was die Menge so faszinierte.
Als ein Tourist aus dem dichten Kreis zurücktrat, um den Akku seiner Kamera zu wechseln,
zwängte Merana sich in die Lücke. Unter den Dombögen sah er zwei Personen, einen
Mann und eine Frau. Der Mann führte zwei Puppen, die an Fäden hingen. Die Frau sogar
drei. Dazu erschallte aus einem mobilen MP3-Player Musik.
Silberglöckchen,
Zauberflöten, sind zu eurem Schutz vonnöten.
Das war eindeutig aus der Zauberflöte.
Jetzt erkannte Merana, dass der Mann in der linken Hand eine Puppe lenkte, die aussah
wie ein Prinz. An den Fäden des rechten Holzkreuzes hing ein schon etwas ramponierter
Vogelfänger. Der Kommissar erlebte hier gerade auf dieser improvisierten Bühne unter
den Bögen die Abschiedsszene von Tamino und Papageno, die sich auf die Suche nach
Pamina machten. Die Puppenspielerin dirigierte die drei Damen, die den Reisenden
mit graziler Bewegung der kleinen Hände den Weg wiesen. Als die beiden fragten,
wie sie denn Sarastros Burg finden könnten, sangen die Damen:
Drei Knäblein,
jung, schön, hold und weise,
Umschweben
euch auf eurer Reise.
Zur feinen Melodie des Gesanges,
die sich für Merana immer so anhörte, als würde sie die leicht ruckende Bewegung
eines kleinen Spielzeugkarussells begleiten, ließ ein Mädchen, das er bisher noch
gar nicht wahrgenommen hatte, mit sanfter Bewegung ein kleinen Fesselballon durch
die Luft schweben, in dem drei Knaben als Miniaturpuppen saßen.
Sie werden
eure Führer sein,
Folgt ihrem
Rate ganz allein.
Papageno und Tamino wiederholten
diese Phrase der drei Frauen und folgten dann langsam den im Ballon davonschwebenden
Knaben. Die Umstehenden beklatschten diese entzückende Szene. Merana stimmte in
den Applaus mit ein. Ja, die ganze Stadt lag immer noch im Zauberflötenfieber. Daran
hatte auch der grausame Tod der Todorova nichts geändert. Auch das berühmte Salzburger
Marionettentheater auf der anderen Seite der Salzach, zwischen Landestheater und
Mozarteum gelegen, hatte sich eine Neuinszenierung der Mozart-Oper einfallen lassen.
Wenn er es dienstlich schaffte, wollte er sich diese Aufführung ansehen. Er könnte
ja dann
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