Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
verstand,
dass sie ihm wehtun wollte.
»Die Dinge
sind oft nicht so, wie sie scheinen, Birgit.«
»Verschone
mich mit deinem Geschwätz, Martin Merana.« Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Dann
holte sie mit der Hand aus. Er konnte ihre aufgestaute Wut förmlich greifen. Er
bereitete sich auf das Klatschen ihrer Handfläche in seinem Gesicht vor. Doch sie
schlug nicht zu. Sie funkelte ihn nur an. Dann drehte sie sich abrupt um und ging
davon.
»Lass es
dir wenigstens erklären, Birgit«, rief er ihr nach.
»Ich will
von dir nichts mehr erklärt bekommen!« Sie riss die Tür ihres Autos auf, warf sich
auf den Sitz und startete. Der Motor heulte auf, als sie zurückstieß und wendete.
Dann schoss
ihr roter Fiat an ihm vorüber. Er blieb stehen und blickte ihr nach. Die Rücklichter
verschwanden, als sie an der nächsten Kreuzung abbog. Die Wahrheit! Die Wahrheit!, hallte es in ihm. Er stand lange da. Der Wind trieb zwei große Blätter vor seine
Füße. Allmählich spürte er die Last der Müdigkeit, die sich an seine Schultern hängte.
Und die Leere in seinem Kopf. Er griff in die Tasche, holte den Schlüssel hervor
und ging langsam zu seinem Wagen.
Freitag, 31. Juli, 7.30 Uhr
Die zusammengesunkene Gestalt der
Großmutter wirkte noch zerbrechlicher als sonst. Sie hatte nicht einmal die Hälfte
ihres Butterbrotes gegessen. Nur vom Kräutertee hatte sie sich eine zweite Tasse
geholt. Das gesamte Frühstück über war kaum ein Wort gefallen. Nur einmal hatte
Merana sich erkundigt, wie sie geschlafen hätte. ›Traumlos‹, war ihre Antwort gewesen.
Es passierte selten, dass die Großmutter nicht träumte.
Sie schob
ihre Teetasse beiseite und schaute ihn an.
»Wann musst
du im Büro sein?« Er blickte kurz auf die Küchenuhr.
»Etwa in
einer halben Stunde.«
»Wunderbar.
Dann geht sich ja noch eine Partie aus.« Sie griff in die Tasche ihrer Strickjacke
und legte ein Paket Karten auf den Tisch. Zum ersten Mal blitzte ein Funken in ihren
müden Augen auf. Wenn die Großmutter Karten spielte, dann vergaß sie alles andere
rings um sich. Karten spielen machte ihr Vergnügen. Und es war eine Freude zu beobachten,
wie sich diese Frau plötzlich in ein anderes Wesen verwandelte. Da erinnerte nichts
mehr an die besonnene Person mit der speziellen Gabe für Außergewöhnliches. Da hockte
plötzlich ein weiblicher Gnom vor einem, der sich diebisch freuen konnte, wenn ihm
ein besonderer Spielzug gelang. »Du gibst, ich schreibe.« Sie fischte einen kleinen
Papierblock aus ihrer Tasche und malte mit verschnörkelten Buchstaben ihre beiden
Namen auf die Spieltabelle. Er nahm sich vor, höllisch aufzupassen. Denn ab und
zu schwindelte die Großmutter auch. Beim Kartenspielen kannte sie kein Pardon. Und
sie freute sich diebisch, wenn ihr niemand draufkam, wie sie die eine oder andere
Partie noch zu ihren Gunsten herumgerissen hatte. Er griff nach dem Paket und begann,
die Karten zu mischen. Sie hatten früher oft miteinander gespielt. ›Watten‹, ein
Spiel, bei dem es auf die Anzahl der Stiche ankam, mochte die Großmutter besonders.
Aber heute wollte sie ›Schnapsen‹. Dabei ging es um Punkte innerhalb der Stiche.
Um eine Einzelpartie zu gewinnen, musste man mindestens 66 Punkte erreichen. »Ich
fühle, heute ist ein guter Tag für mich«, lächelte sie verschmitzt und rieb sich
die Hände. Merana freute sich, dass die gesunde Färbung ihres Gesichtes zurückkam.
Bei der ersten Einzelpartie hatte er Pech. Mit den miesen Karten schaffte er gerade
einmal zwei läppische Stiche. Die zweite Partie hätte er gewinnen müssen, aber er
war unkonzentriert. Er hatte vergessen, dass noch nicht alle Trümpfe aufgebraucht
waren. Als er sein letztes As ausspielte, knallte sie mit einem kurzen Juchzer den
Trumpf-Unter auf den Tisch. Das Glück blieb der Großmutter auch in der nächsten
Runde hold. Dann kam die vierte Partie. Herz war Trumpf. Die Großmutter machte den
ersten Stich. Ihre Augen funkelten. Sie rieb sich mit der Hand übers Kinn und sah
ihn schelmisch an.
»Hast du
ihn oder hast du ihn nicht, Martin?« Sie begann ihren Kopf hin und her zu wiegen.
Das ganze Weiblein wackelte vor Aufregung.
»Ach was,
ich riskiere es. Ich drehe zu.« Damit durften keine neuen Karten mehr vom Stoß genommen
werden. Merana war sich siegessicher. Immerhin hatte er das Trumpf-As im Blatt.
Und dazu ein zweites As. Wieder fragte sie: »Hast du ihn oder hast du ihn nicht?
Wir werden es gleich sehn.« Sie spielte das Schell-As aus.
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