Zauberin von Darshiva
Natur nicht.
Ce’Nedra ritt mit steifer, mißbilligender Miene dahin und stieß des öfteren einen verärgerten Laut aus, gewöhnlich beim Anblick einer besonders kunstvoll geschnittenen Eiche.
Sie beschleunigten zu einem Kanter, während sie der Spur nordwärts auf einer glänzend weißen Schotterstraße folgten, die in sanften Kurven hügelauf und hügelab führte und auf ebenem Terrain weite Biegungen machte, offenbar aus keinem anderen Grund als dem, die Eintönigkeit langer Strecken zu mildern. Die Häuser, die gewöhnlich weitab von der Straße lagen, waren ausnahmslos aus Marmor erbaut und fast alle von Gartenanlagen umgeben. Es war ein sonniger Herbsttag, und die anhaltende Brise trug den Geruch der See mit sich, den Garion sehr vertraut fand. Und plötzlich hatte er starkes Heimweh nach Riva.
Als sie an einem Besitz vorbeikamen, überquerte eine große Zahl in leb-hafte Farben gekleideter Reiter im Galopp die Straße, und vor ihnen hetzte eine Meute kläffende Hunde dahin. Den Reitern machte es sichtlich Spaß, wagemutig über Zäune und Gräben zu springen.
»Was machen sie?« rief Eriond Silk zu.
»Sie sind auf Fuchsjagd.«
»Aber das ist doch unsinnig, Silk«, sagte Durnik. »Wenn sie keine Höfe bewirtschaften, halten sie doch auch keine Hühner. Weshalb machen sie sich dann der Füchse wegen Sorgen?«
»Es ist sogar noch unsinniger, wenn man bedenkt, daß Füchse hier gar nicht heimisch sind. Sie müssen eingeführt werden.«
»Das ist doch lächerlich!«
»Natürlich. Reiche Leute benehmen sich häufig lächerlich, und ihr Sport ist gewöhnlich exotisch – und oft grausam.«
Beldin kicherte böse. »Ich frage mich, wie sportlich sie es finden würden, ein Rudel Algroths zu jagen – oder vielleicht einen oder zwei Eldraks.«
»Vergiß es«, brummte Belgarath.
»Es wäre wirklich keine Mühe, ein paar herbeizurufen, Belgarath.« Der Bucklige grinste. »Oder ein paar Trolle«, überlegte er laut. »Ja, das würde Spaß machen. Ich möchte doch zu gern das Gesicht eines dieser überladenen Schmetterlinge sehen, wenn er über einen Zaun springt und plötzlich ein ausgewachsener Troll vor ihm steht.«
»Vergiß es«, wiederholte Belgarath.
Die Straße gabelte sich, und das Auge zog nach links. »Sie ist wieder auf dem Weg zum Meer«, bemerkte Silk. »Ich möchte wissen, was sie am Wasser so anzieht. Seit wir sie verfolgen, eilt sie von einer Insel zur anderen.«
»Vielleicht weiß sie, daß das Auge ihre Spur im Wasser verliert«, meinte Garion.
»Ich glaube nicht, daß ihr das jetzt so wichtig ist«, widersprach Polgara.
»Die Zeit wird knapp – für sie ebenso wie für uns. Für unnötige Ausflüge fehlt ihr die Muße.«
Die Straße, der sie folgten, führte zu den Klippen, und schließlich zog das Auge Garion zu der langen, gepflasterten Einfahrt eines imposanten Hauses unmittelbar am Rand einer steilen Klippenwand hoch über dem Meer. Als sie auf das Haus zuritten, lockerte Garion sein Schwert in der Hülle.
»Erwartest du Schwierigkeiten?« fragte Silk.
»Ich möchte lediglich bereit sein«, antwortete Garion. »Das ist ein großes Haus, in dem sich eine Menge Leute verbergen könnten.«
Die Männer, die aus der Villa auf der Klippe kamen, waren jedoch nicht bewaffnet. Alle trugen purpurfarbene Livree. »Dürfte ich mich nach Eurem Begehr erkundigen?« fragte einer. Er war hochgewachsen, dünn und hatte eine beeindruckende Mähne weißen Haares. Er benahm sich mit der Selbstherrlichkeit eines rangältesten Dieners, der es gewöhnt ist, Knechte und Mägde herumzukommandieren.
Silk schob sich nach vorn. »Meine Freunde und ich machten einen Aus-ritt«, erklärte er. »Wir bewunderten die Schönheit dieses Hauses und seiner Lage. Wäre es möglich, seinem Besitzer unsere Aufwartung zu machen?«
»Seine Lordschaft, der Erzherzog, ist gegenwärtig außer Haus«, antwortete der Hochgewachsene.
»Wie schade!« rief Silk. Er schaute sich um. »Ich bin wirklich angetan von diesem Besitz.« Er lachte. »Vielleicht ist es ganz gut, daß er nicht zu Hause ist. Denn wäre er es, käme ich möglicherweise in Versuchung, ihm eine Angebot für dieses Haus zu machen.«
»Ich glaube nicht, daß Seine Lordschaft sehr daran interessiert wäre«, meinte der Oberdiener.
»Und ich glaube nicht, daß ich Seine Lordschaft kenne«, sagte Silk.
»Hättet Ihr die Freundlichkeit, mir seinen Namen zu nennen?«
»Er ist Erzherzog Otrath, mein Herr«, antwortete der Diener und schwoll sichtlich an. »Er
Weitere Kostenlose Bücher