Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Dinge tut, die getan werden müssen, und nicht nur, wenn man es ihm befiehlt.«
Sein Vater hielt inne, da er offensichtlich eine Antwort erwartete. Wintrow schwieg. Nach einer langen Pause räusperte sich sein Vater. »Ich weiß, dass es hart ist, was ich verlange. Also werde ich dir einfach sagen, was dich am Ende dieses steilen Weges erwartet. In zwei Jahren werde ich Gantry Amsforge zum Kapitän dieses Schiffes machen. Und in zwei Jahren erwarte ich von dir, dass du ihm als Maat dienen kannst.
Du wirst zwar noch sehr jung dafür sein, täusche dich da nicht.
Und es wird dir nicht einfach in den Schoß gelegt. Du wirst sowohl Amsforge als auch mir zeigen müssen, dass du dazu fähig bist. Und falls wir dich akzeptieren, musst du dich der Mannschaft beweisen, jeden Tag und jede Stunde. Es wird nicht leicht sein. Trotzdem ist das eine Gelegenheit, die nur sehr wenigen Männern geboten wird. Also.«
Mit einem Lächeln griff er in die Jacke. Er zog eine kleine Schachtel heraus und öffnete sie. Dann drehte er sie um und zeigte Wintrow ihren Inhalt. Es war ein kleiner goldener Ohrring, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der Galionsfigur der Viviace hatte. Wintrow hatte solche Ohrringe bei den anderen Seeleuten gesehen. Die meisten Matrosen trugen irgendwelche Schmuckstücke, die ihre Treue gegenüber dem Schiff signalisierten. Einen Ohrring, einen Schal, eine Nadel oder sogar eine Tätowierung, wenn sie wirklich sicher waren, dass sie weiterbeschäftigt wurden. Es waren Sinnbilder dafür, dass ihre größte Loyalität dem Schiff galt. So etwas schickte sich nicht für einen Priester von Sa. Bestimmt kannte sein Vater bereits seine Antwort. Aber das Lächeln auf dem Gesicht seines Vaters war herzlich, als er sagte: »Der ist für dich, Sohn. Du solltest ihn mit Stolz tragen.«
Die Wahrheit. Die schlichte Wahrheit, mahnte Wintrow sich selbst, und zwar ausgesprochen ohne Ärger oder Bitterkeit. Also.
Höflich. Freundlich. »Ich möchte ihn nicht, vielen Dank. Du musst wissen, dass ich niemals meinen Körper verletzen und ein Ohr durchbohren lassen würde, um das zu tragen. Ich wäre lieber ein Priester von Sa. Ich glaube, dass dies meine wahre Berufung ist. Ich weiß, dass du glaubst, mir ein besonderes…«
»Halt den Mund!«
Die wütende Stimme seines Vaters klang zutiefst verletzt. »Halt einfach den Mund!«
Als der Junge den Mund schloss und sich zwang, auf den Tisch zu sehen, redete sein Vater weiter. »Ich würde gern etwas anderes von dir hören als dein Drumherumgerede, dass du Priester von Sa werden willst. Sag, dass du mich hasst, dass du die Arbeit nicht übernehmen kannst, dann weiß ich, dass ich deine Meinung ändern kann. Aber solange du dich hinter diesem Priester-Quatsch versteckst… Hast du Angst? Angst davor, dir dein Ohr durchstechen zu lassen, Angst vor einem ungewissen Leben?«
Die Frage seines Vaters klang beinahe verzweifelt. Der Mann suchte krampfhaft nach Wegen, wie er Wintrow auf seine Seite ziehen konnte.
»Ich habe keine Angst. Ich will es ganz einfach nicht! Warum bietest du das nicht der einen Person an, die sich wirklich danach verzehrt? Warum machst du dieses Angebot nicht Althea?«
Seine leise Stimme durchdrang die wütende Tirade seines Vaters.
Dessen Augen glitzerten wie blaue Steine. Er deutete mit einem Finger auf Wintrow, als wäre es eine Waffe. »Die Antwort ist ganz einfach. Sie ist eine Frau. Und du wirst ein Mann werden, verdammt noch mal. Seit Jahren schon ging es mir gegen den Strich, mitansehen zu müssen, wie Ephron Vestrit seine Tochter durchschleppte und sie behandelte, als wäre sie sein Sohn. Und als du zurückgekommen bist und in dieser braunen Kutte vor mir standest, mit deiner weichen Stimme und deinem noch weicheren Körper, mit deinen sanften Manieren und deinem duckmäuserischen Verhalten, musste ich mich fragen: Bin ich denn besser dran? Denn hier steht mein Sohn, der sich mehr wie ein Weib benimmt, als Althea es jemals getan hat. Genau das habe ich gedacht. Dass es für diese Familie Zeit wurde…«
»Du sprichst wie ein Chalcedeaner«, unterbrach ihn Wintrow.
»Dort, so hat man mir erzählt, gilt eine Frau kaum mehr als ein Sklave. Ich glaube, dass diese Haltung aus ihrer langen Akzeptanz der Sklaverei entstanden ist. Wenn man zu glauben vermag, dass ein Mensch einem anderen Menschen gehören kann, dann ist es nur ein kleiner Schritt zu sagen, dass dein Weib und deine Tochter ebenfalls dein Besitz sind, und sie dazu zu zwingen, das Leben zu
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