Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
zusieht, wie die Marietta an den Felsen zerschellt. Du solltest dich lieber schleunigst auf den Weg zur Bucht der Tücke machen.«
»Gankis!«, rief Kennit bestürzt. Er fluchte und rannte dann los. Es war sinnlos, dem Mann hinterherzulaufen. Er musste ihn zurücklassen. Und dann hatte er ihm auch noch das goldene Medaillon gegeben! Was war er doch für ein Narr gewesen, sich so von der Magie der Anderen einlullen zu lassen! Jetzt hatte er seinen Zeugen und noch dazu das Souvenir verloren, das er als Beweis hatte mitnehmen wollen. Aber sein Schiff würde er nicht verlieren! Er stürmte mit großen Schritten den gewundenen Pfad entlang. Das goldene Sonnenlicht, das vorher noch so verlockend geschienen hatte, verwandelte sich plötzlich in einen nur noch heißen Nachmittag, der ihm selbst das Atmen schwermachte.
Der Baumwuchs wurde spärlicher, was bedeutete, dass er die Bucht fast erreicht hatte. Augenblicke später hörte er das laute Trappeln von Gankis’ Schritten hinter sich und schrak zusammen, als der Seemann ohne zu zögern an ihm vorbeilief.
Kennit erhaschte einen kurzen Blick auf das vor Entsetzen verzerrte, verwitterte Gesicht, und dann sah er, wie die abgeschabten Schuhe des alten Seebären Schotter vom Weg hochspritzten, als er vor ihm herrannte. Kennit hatte gedacht, dass er nicht mehr schneller laufen könnte, doch dann beschleunigte Gankis noch und schoss aus der Deckung der Bäume hinaus auf den Strand.
Er hörte, wie Gankis dem Schiffsjungen zurief, er solle warten.
Der Bursche hatte offenbar beschlossen, nicht mehr auf die Rückkehr seines Kapitäns zu bauen, denn er hatte die Gig über die muschelübersäten Felsen in das immer weiter abebbende Wasser geschleppt. Ein Schrei aus vielen Kehlen erhob sich von dem vor Anker liegenden Schiff, als Kennit und Gankis auf den Strand liefen. Auf dem Achterdeck winkte ihnen ein Seemann heftig zu, sich zu beeilen. Die Marietta befand sich in einer bedrohlichen Lage. Die Ebbe setzte sie beinahe auf Grund. Die Seeleute mühten sich bereits mit der Ankerkette ab.
Während Kennit zusah, bekam die Marietta eine kleine Schlagseite und glitt dann von einem kahlen Felsen ab, als eine Welle sie freispülte. Sein Herz wäre ihm fast stehengeblieben.
Neben sich selbst schätzte er sein Schiff über alles.
Seine Absätze rutschten auf Seetang aus, und er zertrat knirschend Muscheln, während er eilig den felsigen Abhang hinunterkletterte und dem Jungen und der Gig folgte. Gankis war kurz vor ihm. Es waren keine Befehle nötig, als die drei das Dollbord der Gig packten und sie in die ablaufenden Wellen schoben. Als sie schließlich hineinkletterten, waren sie klatschnass. Gankis und der Junge schnappten sich die Ruder und steckten sie in die Ösen, während Kennit im Heck Platz nahm. Der Anker der Marietta wurde rasselnd hochgezogen.
Er war von Seetang überwuchert. Ruder rangen gegen Segel, während die Entfernung zwischen den beiden Schiffen immer kleiner wurde. Schließlich ging die Gig längsseits, die Taue wurden heruntergelassen und festgebunden, und ein paar Sekunden später stand Kennit auf seinem eigenen Deck. Der Erste Maat stand am Ruder, und als er seinen Kapitän sicher an Bord sah, schwang Sorcor das Steuer herum und brüllte Befehle, die das Schiff auf Kurs bringen sollten. Wind blähte die Segel der Marietta , und sie nahm gegen die ablaufenden Wellen Kurs auf die Strömung, die sie sicher von den felsigen Zähnen der Bucht der Tücke wegtragen würde.
Mit einem kurzen Blick über das Deck vergewisserte sich Kennit, dass alles in Ordnung war. Der Schiffsjunge duckte sich, als sein Blick ihn streifte. Der Kapitän sah ihn einfach nur an, und der Junge erkannte, dass sein Ungehorsam nicht vergessen war. Eigentlich schade. Der Junge hatte einen glatten Rücken, doch das war ab morgen Geschichte. Aber erst morgen.
Das war noch früh genug, sich um ihn zu kümmern. Sollte er sich doch eine Weile darauf freuen und die Striemen genießen, die ihm seine Feigheit einbringen würde. Mit einem kurzen Nicken zu seinem Ersten Maat suchte Kennit sein Quartier auf. Obwohl er nur knapp einer Katastrophe entgangen war, hämmerte sein Herz vor Triumph. Er hatte die Anderen in ihrem eigenen Spiel geschlagen. Sein Glück hatte zu ihm gehalten – wie immer: Und das kostspielige Amulett an seinem Arm war erwacht und hatte seinen Wert unter Beweis gestellt. Doch das Beste war: Er hatte jetzt das Orakel der Anderen, um seinem Ehrgeiz den Mantel der Prophezeiung
Weitere Kostenlose Bücher