Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
ebenfalls verschwand. Als er das Kommando der Marietta antrat, waren seine Mitseeleute nur zu gern bereit, ihm zu folgen. Er wählte Sorcor mit Bedacht aus, ja er warb fast um ihn, um ihn zu einem loyalen Untergebenen zu machen. Nachdem sie das Kommando übernommen hatten, führten er und Sorcor das Schiff hinaus auf das offene Meer. Dort sortierten sie die Mannschaft aus, wie ein Spieler wertlose Karten auf einen Tisch wirft. Da sie als einzige Karten lesen oder einen Kurs festlegen konnten, waren sie so gut wie immun gegen Meuterei.
Trotzdem sorgte Kennit dafür, dass Sorcors Strenge niemals die Grenze zur Misshandlung überschritt. Kennit glaubte, dass die meisten Männer unter einer strengen Hand glücklicher waren.
Wenn diese Hand außerdem Sauberkeit und die Sicherheit gewährte, dass man seinen Platz kannte, würden sie nur um so zufriedener sein. Die, aus denen man fähige Seeleute machen konnte, waren es auch. Als er und Sorcor die Marietta in einen Hafen brachten, der so weit entfernt war, dass nicht einmal Sorcor die Sprache kannte, die hier gesprochen wurde, hatte die Marietta die Tarnung eines einfachen Handelsschiffes angenommen. Und die Mannschaft reagierte bereitwillig auf jedes Kommando ihres Kapitäns oder des Ersten Maats. Kennit verwendete seine lange aufgesparten Anteile, um das Schiff so gut wie möglich auszurüsten. Als die Marietta den Hafen verließ, widmeten sie sich einen Monat lang präzisester Piraterie, und zwar auf eine Art und Weise, die diese Küste niemals zuvor erlebt hatte. Die Marietta kehrte schwer beladen mit exotischen Gütern und merkwürdig gepressten Münzen nach Divvytown zurück. Die Mitglieder der Mannschaft, die mit ihm zurückkamen, waren so wohlhabend wie noch nie und so loyal wie Hunde. Auf einer einzigen Reise hatte Kennit ein Schiff, einen Ruf und ein Vermögen gewonnen.
Doch als er auf die Docks von Divvytown trat und dachte, dass er allen Ehrgeiz seines Lebens befriedigt hätte, fiel diese Freude über seine Errungenschaften von ihm ab wie tote Haut nach einem Sonnenbrand. Er sah zu, wie seine Leute über die Docks marschierten, in Seide gewandet, als wären sie Edelleute, und ihre Beuteltaschen waren voll mit Münzen, Elfenbein und merkwürdig geformten Schmuckstücken. Er wusste, dass sie nur Seeleute waren und dass ihre Beute in ein paar Stunden im gierigen Schlund von Divvytown verschwunden sein würde.
Und plötzlich schienen das makellos geputzte Deck der Marietta , die ordentlich genähten Segel und die frische Farbe ein genauso kurzer und hohler Triumph zu sein wie der Reichtum seiner Mannschaft. Er schickte Sorcor weg und verbrachte die Woche, die sie im Hafen lagen, trinkend in seiner finsteren Kabine. Er hatte nicht erwartet, so von seinem Erfolg entmutigt zu werden. Er fühlte sich betrogen.
Er brauchte Monate, um sich davon zu erholen. Er bewegte sich durch diese Zeit wie durch eine betäubende Schwärze, verwirrt von der Hoffnungslosigkeit, die sich über ihn gelegt hatte. Aber etwas in ihm begriff, wie gut die Wahl gewesen war, die er mit Sorcor getroffen hatte. Der Erste Maat tat, als wäre nichts passiert, und fragte kein einziges Mal nach dem Zustand des Kapitäns. Wenn die Mannschaft spürte, dass da etwas merkwürdig war, gab es jedenfalls keinen Beweis dafür. Kennit vertrat die Philosophie, dass auf einem gutgeführten Schiff der Kapitän niemals direkt mit der Mannschaft sprechen musste, sondern seine Wünsche dem Ersten Maat mitteilte. Dem blieb es überlassen, dafür zu sorgen, dass sie ausgeführt wurden. Diese Gewohnheit kam ihm während dieser Tage der Verzweiflung gut zupass. Er hatte kaum etwas gefühlt, bis zu dem Tag, als Sorcor an die Tür der Kajüte klopfte und verkündete, dass sie ein schönes Kauffahrtsschiff in Sichtweite hatten. Wünschte der Kapitän, dass sie es verfolgten?
Sie verfolgten es nicht nur, sondern kämpften mit ihm und enterten es und sicherten sich eine schöne Ladung Wein und Parfüm. Kennit überließ Sorcor die Aufsicht über die Marietta und führte seine Leute selbst auf das Kaufmannsschiff. Bis zu dieser Zeit hatte er Gefechte und Töten als einen der unschönen Aspekte seines nun einmal gewählten Berufs angesehen. Doch an diesem Tag entflammte sein Herz zum ersten Mal im Kampfgetümmel. Immer und immer wieder schlachtete er Leute dahin, opferte sie seiner Wut und seiner Enttäuschung, bis er schockiert feststellte, dass niemand mehr da war, der sich ihm entgegenstellte. Er drehte sich von der
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