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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Erst als sie die Röcke trug und die Weste zumachte, bemerkte sie, dass Brashen recht gehabt hatte. Ihre Kleidung hing an ihr wie an einer Vogelscheuche. Ihr Spiegel zeigte ihr tiefe dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Wangen waren eingefallen. Das Taubengrau ihrer Kleidung und der blassblaue Besatz machten ihren Teint noch ungesünder. Selbst ihre Hände waren abgemagert, und die Knochen ihres Handgelenks und ihrer Finger zeichneten sich deutlich ab. Eigenartigerweise machte ihr das keine Sorgen. Das ist nicht anders, sagte sie sich, als wenn man eine Woche fastet und in Isolation verbringt, um Sas Beistand zu ersuchen. Nur dass statt Sa der Geist des Zauberschiffs Besitz von ihr ergriffen hatte. Und es war die Sache wert gewesen. Sie war Kyle beinahe dankbar dafür.
    Beinahe.
    Sie trat an Deck und zwinkerte in dem hellen Sonnenlicht, das auf dem ruhigen Wasser des Hafens flimmerte. Sie hob den Blick, als sie die Wände des Hafenbeckens musterte. Bingtown breitete sich über die Ufer aus wie bunte Waren auf dem Marktplatz. Der Geruch des Landes drang Althea in die Nase.
    Auf den Zolldocks herrschte geschäftiges Treiben, wie immer.
    Die Schiffe, die nach Bingtown einliefen, mussten sich immer zuerst dort melden, damit die Beamten des Satrap die hereinkommende Fracht inspizieren und besteuern konnten, während sie ausgeladen wurde. Die Viviace würde warten müssen, bis sie an der Reihe war. Es sah so aus, als wäre die Goldendown fast fertig. Sie würden diese Helling nehmen, sobald sie frei war.
    Instinktiv suchte ihr Blick ihr Geburtshaus. Sie konnte eine Ecke seiner weißen Wände sehen, der Rest wurde von schattigen Bäumen verdeckt. Einen Moment runzelte sie die Stirn beim Anblick der Veränderungen auf den umliegenden Hügeln, aber dann dachte sie nicht länger darüber nach. Mit Land und Stadt hatte sie wenig zu schaffen. Ihre Ungeduld und ihre Sorge um die Gesundheit ihres Vaters mischten sich mit dem Zögern, die Viviace zu verlassen. Die Gig des Kapitäns war noch nicht an der Seite heruntergelassen worden. Nach alter Tradition würde sie darin fahren. Sie freute sich nicht gerade darauf, Kyle wiederzusehen, geschweige denn darauf, mit ihm in einem Boot zu fahren. Aber irgendwie kam es ihr nicht so schlimm vor wie noch vor einer oder zwei Wochen. Sie wusste jetzt, dass er sie niemals von der Viviace trennen konnte. Sie war an das Schiff gebunden, das Schiff selbst würde es nicht tolerieren, ohne sie gesegelt zu werden. Kyle war zwar ein Ärgernis, aber seine Drohungen hatten kein Gewicht mehr. Sobald sie mit ihrem Vater gesprochen hatte, würde er begreifen, was passiert war.
    Er würde sicher mit ihr schimpfen, weil sie Kyle bestimmte Gründe für die Heirat mit Keffria unterstellt hatte. Als sie sich an ihre Worte erinnerte, zuckte sie selbst zusammen. Ihr Vater würde böse auf sie sein, und sie hatte es verdient. Aber sie kannte ihn zu gut, um fürchten zu müssen, dass er sie jetzt von der Viviace trennte.
    Sie fand sich auf dem Vordeck wieder und beugte sich weit über das Bugspriet, um die Galionsfigur zu betrachten. Die geschnitzten Augen waren noch geschlossen, aber das war nicht mehr wichtig. Althea hatte ihre Träume geteilt.
    »Rutsch nicht aus.«
    »Darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, antwortete Althea, ohne sich zu Brashen umzudrehen.
    »Normalerweise nicht. Aber so blass, wie du aussiehst, befürchtete ich, dass dir schwindlig wird und du über den Rand fällst.«
    »Nein.«
    Sie hatte ihn nicht einmal angeblickt und wünschte sich, dass er wegging. Als er wieder sprach, klang er viel formeller.
    »Mistress Althea. Habt Ihr Gepäck, das Ihr an Land zu bringen wünscht?«
    »Nur die kleine Kiste an der Tür meiner Kajüte.«
    Darin befanden sich die Seide und die Geschenke für ihre Familie. Sie hatte sie bereits vor Tagen gepackt.
    Brashen räusperte sich vor Verlegenheit. Sie drehte sich gereizt zu ihm um. »Was noch?«
    »Der Kapitän hat mir befohlen, Euch wenn nötig zu helfen, Eure Besitztümer aus der, ehm, Offizierskajüte zu entfernen.«
    Brashen stand sehr gerade da und blickte über ihre Schulter. Zum ersten Mal seit Monaten sah sie ihn richtig an. Was hatte es ihn gekostet, vom Ersten Maat zum einfachen Seemann herabzusteigen, einfach nur, um an Bord dieses Schiffes zu bleiben? Sie hatte Kyles Zorn nur einmal zu spüren bekommen; die Male, wo er oder sein Erster Maat Brashen zusammengestaucht hatten, konnte sie schon nicht mehr zählen. Und doch war er immer

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