Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
groß und hell gewesen, mit hohen Fenstern und prächtig möbliert mit exotischen Möbeln und Stoffen, die von vielen Reisen stammten. An den weißen Wänden hatten Federfächer und Muschelmasken gehangen, Gobelins und gehämmerte, kupferne Landschaften. Das Bett hatte ein Kopfende aus geschnitztem Teakholz, und im Winter lagen immer Federbetten und Felle auf der dicken Matratze. Im Sommer hatten stets Blumenvasen neben dem Bett gestanden und kühle Baumwolldecken, die mit Rosenwasser benetzt wurden.
Jetzt erwartete sie Dunkelheit hinter der Tür. Die Rosendüfte waren von dem schweren, sauren Duft der Krankheit und den stechenden Gerüchen der Medizin vertrieben worden. Die Fenster waren geschlossen und die Vorhänge gegen das helle Sonnenlicht zugezogen. Althea ging unsicher weiter in das Zimmer hinein, während sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. »Papa?«, fragte sie zögernd in Richtung des hohen Bettes. Die Antwort blieb aus.
Sie ging zu einem Fenster und schob den schweren Brokatvorhang zur Seite, um das Nachmittagslicht hereinzulassen. Ein bisschen davon schien auf das Bett und beleuchtete eine knochige, gelbliche Hand, die auf der Decke lag. Sie erinnerte sie an die hageren Krallen eines toten Vogels.
Sie ging zu dem Stuhl neben dem Bett und nahm den Posten ein, den offenbar vorher ihre Mutter innegehabt hatte. Trotz ihrer Liebe zu ihrem Vater empfand sie einen Moment einen starken Widerwillen, als sie die schlaffe Hand in ihre nahm.
Die Muskeln und Schwielen waren vollkommen verschwunden. Sie beugte sich vor und blickte in sein Gesicht.
»Papa?«, wiederholte sie.
Er war schon tot. Jedenfalls dachte sie das nach ihrem ersten Blick in sein Gesicht. Dann hörte sie, wie er geräuschvoll Luft holte. »Althea!«, sagte er, und Schleim rasselte in seiner Lunge.
Seine verklebten Augenlider hoben sich mühsam. Die Schärfe war aus dem Blick seiner schwarzen Augen verschwunden. Jetzt waren sie eingesunken und blutunterlaufen, und ihr Weiß war gelblich geworden. Er sah sie an, und sie versuchte verzweifelt, das Entsetzen von ihrem Gesicht zu vertreiben.
»Papa, ich bin wieder zu Hause«, erklärte sie mit gespielter Fröhlichkeit, als wenn ihm das noch etwas bedeuten würde.
Seine Hand zuckte fiebrig in ihrer, und dann fielen ihm die Augen wieder zu. »Ich sterbe«, sagte er verzweifelt und gleichzeitig voller Zorn.
»Aber nein, Papa, nein, du wirst dich erholen und…«
»Halt den Mund.«
Es war kaum mehr als ein Flüstern, aber der Befehl kam von beiden, sowohl von ihrem Kapitän als auch ihrem Vater. »Es ist nur noch eins wichtig. Schaff mich zur Viviace . Ich muss auf ihrem Deck sterben. Ich muss.«
»Ich weiß«, erwiderte sie. Der Schmerz, der ihr Herz zusammenkrampfte, ebbte plötzlich ab. Dafür war keine Zeit, jedenfalls nicht jetzt. »Ich bereite alles vor.«
»Sofort!« ermahnte er sie. Sein Flüstern klang gurgelnd, erstickt. Erneut drohte die Verzweiflung sie zu überwältigen, aber sie richtete sich auf.
»Ich werde dich nicht enttäuschen«, versprach sie. Seine Hand zuckte erneut, und dann glitt sie aus ihrem Griff. »Ich gehe sofort.«
Als sie aufstand, keuchte er erstickt und brachte dann ihren Namen heraus. »Althea!«
Sie blieb stehen, wo sie war. Er rang nach Luft. »Keffria und ihre Kinder. Sie sind nicht wie du.«
Er holte erneut verzweifelt Luft. »Ich musste für sie sorgen. Ich musste es tun.«
Er rang erneut um Atem, aber er brachte kein Wort heraus.
»Natürlich musstest du das. Du hast gut für uns alle gesorgt. Mach dir darüber jetzt keine Sorgen. Alles wird gut. Ich verspreche es.«
Sie hatte das Zimmer schon verlassen und die Hälfte des Flurs hinter sich, als ihr klar wurde, was sie da zu ihm gesagt hatte.
Was hatte sie mit diesem Versprechen gemeint? Dass sie dafür sorgte, dass er auf dem Zauberschiff starb, wie er schon so lange angeordnet hatte? Das war eine merkwürdige Definition von: Alles wird gut. Doch dann wusste sie mit unerschütterlicher Gewissheit, dass auch für sie alles gut werden würde, wenn ihr Todestag kam und sie an Deck der Viviace sterben musste. Sie rieb sich das Gesicht, als wäre sie gerade erst aufgewacht. Ihre Wangen waren nass. Sie weinte.
Aber dafür war jetzt keine Zeit. Keine Zeit für Gefühle und keine Zeit für Tränen.
Als sie aus der Tür ins blendende Sonnenlicht trat, wäre sie fast in die Gruppe Menschen hineingelaufen, die vor der Tür standen.
Sie blinzelte einen Augenblick, und die Ansammlung löste
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