Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
ich schon befürchtete, dass meine eigene Schöpfung gegen deine Schönheit vielleicht albern wirken könnte. Nun, auch wenn es eigentlich nicht schicklich ist, seine eigene Arbeit zu preisen, mache ich es trotzdem. Sie sind alle aus verschiedenem Holz gearbeitet. Merkst du das? Der Seestern ist aus Eiche, und die Krabbe habe ich in einem großen Kiefernstamm gefunden. Der Delphin versteckte sich in einem geschwungenen Stück Weide. Berühre ihn und folge seiner Maserung mit den Fingern. Jedes Tier hat eine andere Maserung und eine andere Holzfarbe. Ich male Holz nicht gern an, deshalb hat jedes Stück noch die Farbe, die du aus der Natur kennst. Außerdem glaube ich, dass es am besten aussieht, wenn sich das natürliche Holz gegen deine verwitterte Haut abhebt.«
    Sie sprach schnell, und ihre Stimme klang eifrig, als sie ihm diese Details mitteilte. Dadurch erzeugte sie eine gewisse Intimität, als wenn niemand auf der Welt diese Dinge besser verstehen würde. Und sie hätte nichts Schmeichelhafteres tun können, als eben mit ihrer Hand zart über seine Brust zu streichen. »Darf ich dir eine Frage stellen?«, bat sie.
    »Selbstverständlich.«
    Mit den Fingern glitt er langsam von einem Tier zum nächsten und ertastete immer neue Einzelheiten der Maserung und der Form.
    »Soweit ich weiß, ist die Galionsfigur eines Zauberschiffes bemalt. Aber wenn das Schiff erwacht, nimmt die Figur eine eigene Farbe an. So wie du es gemacht hast. Aber… wie? Und warum geschieht das nur mit der Galionsfigur und nicht auch mit den anderen Teilen des Schiffes, die aus Hexenholz gefertigt wurden?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte er. Manchmal stellte sie ihm solche Fragen. Sie gefielen ihm nicht. Sie erinnerten ihn zu stark daran, wie sehr er sich von ihr unterschied. Und sie schien sie immer genau dann zu stellen, wenn er sich ihr am nächsten fühlte. »Warum hast du deine Farben? Wie ist deine Haut gewachsen, deine Augen?«
    »Aha. Verstehe.«
    Sie schwieg einen Augenblick. »Ich dachte, es wäre vielleicht etwas, das du willentlich beeinflussen könntest.
    Du bist ein so großes Wunder für mich. Du sprichst, du denkst, du bewegst dich… kannst du alles an dir bewegen? Ich meine, nicht nur deine geschnitzten Teile wie Hände und Lippen, sondern auch deine Planken und Streben?«
    Manchmal. Ein biegsames Schiff kann dem Ansturm von Wind und Wogen besser widerstehen als ein starres. Planken konnten sich ein wenig verschieben und so dem Druck des Wassers besser nachgeben. Und manchmal konnten sie sich auch ein bisschen mehr verschieben, konnten sich sogar voneinander trennen und das stille Wasser hereinlassen, das sich rasch ausbreitete und tiefer wurde und so kalt und so schwarz war wie die Nacht selbst. Das jedoch wäre ein unverzeihlicher und kaltherziger Verrat. Unverzeihlich und durch nichts wieder gut zu machen. Er riss sich von der brennenden Erinnerung los und antwortete nicht auf ihre Frage. »Warum willst du das wissen?«, erkundigte er sich stattdessen. Er war plötzlich misstrauisch.
    Was wollte sie von ihm? Warum brachte sie ihm Geschenke?
    Niemand konnte ihn leiden, das wusste er genau. Das hatte er immer gewusst. Vielleicht war das alles ja nur ein Trick, und sie steckte mit Restate und Mingsley unter einer Decke.
    Möglicherweise wollte sie hier nur einfach alle Geheimnisse ausspionieren, alles über Hexenholz in Erfahrung bringen und dann zu ihnen zurückgehen und es ihnen sagen.
    »Ich wollte dich nicht aufregen«, sagte Amber ruhig.
    »Nein? Was wolltest du dann?«, entgegnete er scharf.
    »Dich verstehen.«
    Sie blieb trotz seines Tons unverändert freundlich, und in ihrer Stimme schwang kein bisschen Ärger mit.
    »Auf meine eigene Art unterscheide ich mich von den Menschen in Bingtown genauso wie du. Ich bin auch eine Fremde hier, und es ist ganz gleich, wie lange ich hier lebe oder mein Geschäft führe, ich werde immer ein Neuankömmling bleiben. Und Bingtown heißt Fremde nicht gerade mit offenen Armen willkommen. Ich bin einsam.«
    Ihre Stimme klang beruhigend.
    »Und deshalb habe ich mich an dich gewandt. Weil ich glaube, dass du genauso einsam bist wie ich.«
    Einsam. Bedauernswert. Sie hielt ihn für bedauernswert. Und für dumm. Jedenfalls für dumm genug zu glauben, dass sie ihn mochte, wenn sie eigentlich nur versuchte, hinter all seine Geheimnisse zu kommen. »Und weil du gern die Geheimnisse des Hexenholzes in Erfahrung bringen würdest.«
    Es war eine Probe.
    Sie lachte ruhig. »Ich wäre eine

Weitere Kostenlose Bücher