Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
genau das ist: Alles für jemand anderen aufzugeben!«
»Aber für manche Menschen ist sie genau das«, erwiderte Amber unbeirrt. Sie knotete eine weitere Holzperle an die Schnur, hielt sie dann hoch und begutachtete sie kritisch. »Andere wiederum sind wie zwei Pferde im Geschirr, die ihre Last zu einem gemeinsamen Ziel ziehen.«
»Das wäre wirklich nicht schlecht«, gab Althea zu. Aber ihre finstere Miene verriet, dass sie es nicht ganz glaubte. »Warum können Menschen sich nicht einfach lieben und trotzdem frei bleiben?«, wollte sie wissen.
Amber rieb sich die Augen und zog dann nachdenklich an ihrem Ohrring. »Man kann sich so lieben«, erklärte sie schließlich wehmütig. »Aber der Preis dieser Art von Liebe ist vielleicht der höchste.« Sie äußerte diese Worte genauso sorgfältig, wie sie ihre Perlen aufreihte. »Wenn man jemand anderen so liebt, muss man zugeben, dass dessen Leben genauso wichtig ist wie das eigene. Und was noch schwieriger ist: Du musst dir eingestehen, dass er vielleicht Bedürfnisse hat, die du nicht erfüllen kannst, und dass du Aufgaben hast, die dich weit von ihm entfernen. Der Preis heißt Einsamkeit und Sehnsucht und Zweifel und…«
»Warum muss Liebe etwas kosten? Warum müssen Bedürfnisse mit Liebe zusammengeraten? Warum können die Menschen nicht einfach wie Schmetterlinge sein, die im hellen Sonnenschein zusammenkommen und sich trennen, solange die Sonne noch scheint?«
»Weil wir Menschen sind und keine Schmetterlinge. Wenn du so tust, als könnten die Menschen zusammenkommen, sich lieben und sich trennen, ohne dass sie Leid empfänden oder das Konsequenzen hätte, ist das noch falscher, als so zu tun, als wärst du eine sittsame Händlertochter.« Sie legte die Perlen weg, erwiderte Altheas Blick und meinte unverblümt: »Bitte red dir nicht ein, dass du mit Grag Tenira ins Bett gehen und anschließend weggehen könntest, ohne euch beide herabzusetzen. Vor einem Augenblick hast du noch von Liebe ohne Bedürfnisse gesprochen. Wenn du dein Bedürfnis ohne Liebe befriedigst, dann ist das Diebstahl. Wenn du das brauchst, kauf dir einen. Aber stiehl es dir nicht unter dem Vorwand von Grag, dass es ja frei erhältlich wäre. Ich kenne Grag Tenira mittlerweile. Er kann dir das nicht geben, nicht auf diesem Weg.«
Althea verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hab ja gar nicht daran gedacht.«
»Doch, hast du.« Amber betrachtete wieder ihre Perlen. »Wir alle denken daran. Das macht es aber längst noch nicht richtig.« Sie drehte ihre Arbeit in ihren Händen und fing ein neues Knotenmuster an. »Wenn du mit jemandem ins Bett gehst, ist das immer eine Verpflichtung. Manchmal besteht diese Verpflichtung nur darin, dass ihr beide so tut, als würde es keine Rolle spielen.« Ihre merkwürdig gefärbten Augen blickten Althea einen Moment intensiv an. »Manchmal gehst du diese Verpflichtung auch nur für dich selbst ein. Dein Partner erfährt es niemals oder stimmt dem gar nicht zu.«
Brashen. Althea rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. Warum dachte sie immer in solch unpassenden Augenblicken an ihn? Wenn sie gerade glaubte, dass sie ihn aus ihrem Gedächtnis gestrichen hatte, tauchte er prompt wieder auf. Es ärgerte sie, aber sie wusste nicht mehr genau, ob sie eigentlich auf Brashen wütend war. Sie schob den Gedanken beiseite. Es war aus und vorbei, nur ein Teil ihres Lebens, mit dem sie fertig war. Sie konnte es hinter sich lassen. Sie konnte sich mit anderen Dingen beschäftigen.
»Liebe ist nicht nur das Gefühl, sich des anderen sicher zu sein und zu wissen, was er für dich aufgeben würde. Es ist das absolute Wissen darüber, was du seinetwegen aufzugeben bereit wärst. Denk daran, jeder Partner gibt etwas auf. Persönliche Träume werden zu Gunsten von einem gemeinsamen geopfert. In einigen Ehen verzichtet die Frau auf fast alles, was sie einmal haben wollte. Ein solches Opfer ist nicht beschämend. Das ist Liebe. Wenn du glaubst, dass der Mann es wert ist, funktioniert es auch.«
Althea blieb eine Weile bewegungslos sitzen und beugte sich plötzlich vor. »Glaubst du, ich würde meine Meinung ändern, wenn ich Grag heiraten würde?«
»Tja, einer von euch beiden müsste es wohl tun«, erwiderte Amber.
Brashen riskierte erneut einen Blick in den Korridor. Wo blieb das Mädchen? Wollte sie ihn hier stehen lassen, bis der Läufer mit ihrer Mutter zurückkehrte? Warten fiel ihm immer schwer. Er lächelte. Die Aussicht, Althea wiederzusehen,
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