Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Aber während seiner Zeit als Sklave hatte sich der Junge ein dickes Fell zugelegt. Er arbeitete geduldig und war weniger wegen seines Mangels an Geschicklichkeit, sondern eher wegen seiner geringen Körpergröße benachteiligt. Er hatte alle Voraussetzungen für einen guten Matrosen. Gegen den Rat seines Gewissens würde Brashen ihn mit auf die Reise nehmen. Es war sicher nicht richtig, aber er konnte ihn brauchen.
Die anderen Arbeiter beobachteten sie verstohlen. Vielleicht beschämte es sie, dass die Frauen dort arbeiteten, wo sie sich nicht getraut hatten. Jedenfalls legten sie einen Zahn zu. Brashen hätte nicht erwartet, dass eine derartig heruntergekommene Bande noch einen Funken Stolz im Leib haben könnte. Er nutzte die Gelegenheit und trieb sie noch schärfer an.
Am Nachmittag war es drückend heiß im Frühstückssalon. Es half auch nichts, wenn man die Fenster öffnete, weil kein einziges Lüftchen wehte. Malta fuhr mit dem Finger in den Kragen ihres Kleides und zog den feuchten Stoff von ihrer Haut weg.
»Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir hier gesessen und Eistee getrunken haben. Und deine Köchin hat kleine Zitronenkuchen gemacht.« Delo schien Maltas eingeschränkte Lebensumstände stärker zu bedauern als Malta selbst. Und es ärgerte Malta sogar, dass ihre Freundin so pingelig auf alle kleinen Mängel in ihrem Heim hinwies.
»Die Zeiten haben sich geändert«, erwiderte Malta gereizt. Sie ging an das offene Fenster, lehnte sich hinaus und betrachtete den vernachlässigten Rosengarten. Die Büsche waren voller Blüten und schienen ihr unkontrolliertes Wachstum zu genießen. »Eis ist teuer«, bemerkte sie nachdrücklich.
»Mein Papa hat gestern zwei Blöcke gekauft«, bemerkte Delo beiläufig und fächerte sich Luft zu. »Und die Köchin macht uns heute Abend Eis zum Nachtisch.«
»Oh, wie schön.« Maltas Stimme klang ausdruckslos. Wie viel von diesem Geschwätz, glaubte Delo, würde sie sich noch anhören? Zuerst war sie in ihrem neuen Kleid mit einem Fächer und einem Hut aufgetaucht. Der Fächer war aus Gewürzpapier gemacht und verbreitete einen angenehmen Duft, wenn sie ihn benutzte. Es war die neueste Mode in Bingtown. Dann hatte Delo sie nicht einmal gefragt, wie es um das Schiff stand und ob sie schon eine Lösegeldforderung erhalten hatten. »Gehen wir hinaus in den Schatten«, schlug Malta vor.
»Nein, noch nicht.« Delo sah sich um, als erwarte sie, dass die Dienstboten an den Türen herumlungerten. Malta hätte beinahe geseufzt. Sie hatten keine Diener, die lauschen konnten. Heimlichtuerisch kramte Delo eine kleine Geldbörse aus dem Bund ihres Rocks. Mit gesenkter Stimme sagte sie: »Cerwin schickt dir das, um dir in diesen schwierigen Zeiten zu helfen.«
Einen Moment konnte Malta beinahe Delos Begeisterung über diesen dramatischen Augenblick teilen. Doch dann verflüchtigte sich das Gefühl. Als sie von der Entführung ihres Vaters erfahren hatte, schien dieser Vorfall mit Erregung und Tragik beladen zu sein. Sie hatte die Lage bis an die Grenzen ihrer theatralischen Möglichkeiten ausgekostet. Jetzt verstrichen die Tage einer nach dem anderen, und sie waren voller Unruhe und Stress. Es waren keine guten Nachrichten eingetroffen. Bingtown war ihnen nicht zu Hilfe gekommen. Einige Leute hatten ihr Mitgefühl ausgedrückt, aber das war nur eine höfliche Geste gewesen. Ein paar hatten Blumen mit einigen Worten des Beileids geschickt, als wäre ihr Vater bereits tot. Trotz ihrer Bitte war Reyn nicht zu ihr gekommen. Niemand stand ihr zur Seite.
Tag um Tag war in derselben zähen, tödlichen Verzweiflung vergangen. Allmählich war Malta klar geworden, dass dies Realität war und vielleicht das Todesurteil für ihr Familienvermögen bedeutete. Sie konnte nicht einschlafen, weil es ihr keine Ruhe ließ. Wenn sie dann schließlich doch wegdämmerte, wurde sie von beunruhigenden Träumen geplagt. Jemand verfolgte sie und war entschlossen, sie seinem Willen zu unterwerfen. Die Träume, an die sie sich erinnern konnte, waren allesamt böse Botschaften, die jemand ihr schickte, um ihr jede Hoffnung zu nehmen. Gestern Morgen war sie mit einem Schrei aus einem Alptraum aufgeschreckt. Der verweste Leichnam ihres Vaters war an einen Strand gespült worden. Schlagartig war ihr klar geworden, dass er wirklich tot sein könnte. Er könnte tot sein, und sie machten sich all diese Mühe umsonst. An diesem Tag war sie niedergeschlagen gewesen, und seitdem war ihre Stimmung düster und
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