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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gesprochen, wie man den Kranken und Leidenden Kraft spenden konnte. Aber Wintrows Ausbildung war nicht so weit gediehen. Er hatte erwartet, ein Künstler Sas zu werden, nicht ein Heiler. Trotzdem öffnete er Sa sein Herz, während er Kennits schwitzende Hand hielt, und betete darum, dass der All-Vater einschreiten würde. Er hoffte, dass seine Gnade das ergänzen möge, was ihm an Kenntnis mangelte.
    »Ich kann das so nicht länger ertragen.«
    Aus dem Munde eines anderen Mannes hätten diese Worte vielleicht jämmerlich geklungen. Kennit dagegen stellte einfach nur die Tatsache fest. Der Schmerz ebbte ab, oder vielleicht konnte er auch nur einfach nicht mehr darauf reagieren. Er schloss seine dunklen Augen, und Wintrow fühlte sich plötzlich allein gelassen. Kennit sprach leise, aber nicht weniger deutlich. »Nimm das Bein ab. Heute. Sobald wie möglich. Sofort.«
    Wintrow schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich habe nicht einmal die Hälfte von dem hier, was wir brauchen. Brig hat gesagt, dass wir in ein oder zwei Tagen Bullenbach erreichen werden. So lange sollten wir warten.«
    Kennit riss die Augen auf. »Ich weiß, dass ich nicht warten kann«, erklärte er unverblümt.
    »Wenn es nur der Schmerz ist, dann hilft vielleicht etwas Rum…«, setzte Wintrow an, aber Kennit schnitt ihm einfach das Wort ab.
    »Die Schmerzen sind schlimm, sicher. Aber es ist mein Schiff und mein Kommando darüber, was am meisten leidet. Sie haben den Schiffsjungen zu mir geschickt, damit er mir von dem Patrouillenboot berichtet. Ich habe nur versucht aufzustehen… Ich bin gestürzt. Direkt vor ihm bin ich zusammengebrochen. Ich hätte an Deck sein sollen, nachdem der Ausguck das Segel erspäht hatte. Wir hätten umdrehen und sämtlichen chalcedanischen Schweinen an Bord dieser Galeone die Kehle durchschneiden sollen. Stattdessen sind wir geflohen. Ich habe Brig das Kommando übergeben, und wir sind geflohen. Sorcor musste meinen Kampf ausfechten. Und darüber hinaus wurden alle an Bord Zeugen dieses Vorfalls. Jeder Sklave an Bord dieses Schiffes hat eine Zunge. Ganz gleich, wo ich sie von Bord lasse, sie werden alle die Neuigkeiten herumerzählen, dass Kapitän Kennit vor einem Patrouillenschiff geflüchtet ist. Das kann ich nicht zulassen.« Nachdenklicher fuhr er fort: »Ich sollte sie vielleicht alle ersäufen.«
    Wintrow hörte schweigend zu. Das war nicht der gebildete Pirat, der seinem Schiff mit gewählten Worten den Hof gemacht hatte, und auch nicht der beherrschte Kapitän. Hier sprach der Mann hinter der Fassade, entblößt durch Schmerz und Erschöpfung. Wintrow wurde seine eigene Verletzlichkeit deutlich. Kennit würde die Existenz von niemandem tolerieren, der ihn so gesehen hatte, wie er wirklich war. Im Augenblick schien Kennit gar nicht zu bemerken, wie viel von seinem Selbst er tatsächlich enthüllte. Wintrow kam sich vor wie das Kaninchen, das vor dem Blick der Schlange erstarrt. Solange er still hielt, hatte er die Chance, unentdeckt zu bleiben. Die Hand des Piraten lag schlaff in der seinen. Kennit drehte den Kopf auf dem Kissen, und ihm fielen die Augen zu.
    Gerade als Wintrow Hoffnung schöpfte, dass er entkommen könnte, wurde die Tür zur Kajüte geöffnet. Etta trat ein. Mit einem Blick erfasste sie den Raum. »Was hast du ihm angetan?«, wollte sie wissen, während sie an Kennits Bett trat. »Warum ist er so ruhig?«
    Wintrow hob einen Finger an die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. Ihre Miene verfinsterte sich zwar, aber sie nickte. Mit einem Rucken ihres Kopfes befahl sie ihn in die andere Ecke des Raumes und runzelte die Stirn, weil er nur langsam reagierte. Trotzdem ließ sich Wintrow Zeit. Sanft legte er die Hand des Piraten auf die gesteppte Decke und glitt vorsichtig von der Bettkante, damit er Kennit mit keiner Bewegung störte.
    Doch seine Mühe war vergebens. Wintrow hatte kaum einen Schritt getan, als Kennit sagte: »Du wirst mir noch heute das Bein abnehmen.«
    Etta schnappte entsetzt nach Luft. Wintrow drehte sich langsam zu dem Piraten um. Kennit hatte die Augen nicht geöffnet, aber er hob seine feingliedrige Hand und deutete auf den Jungen. »Hol dir das Werkzeug und die Utensilien, die du brauchst, und erledige deine Aufgabe. Wir müssen eben auf das verzichten, was wir nicht haben. Ich will es endlich hinter mich bringen. So oder so.«
    »Sir«, meinte Wintrow zustimmend. Er änderte die Richtung und ging schnell zur Tür. Aber genauso schnell trat Etta ihm in den Weg. Er

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